Protest vertieft Spaltung

Die Reformer im Iran setzen eine Sondersitzung des Parlaments über den Umgang mit den Demonstranten durch. Die Hardliner beharren auf einer Verschwörung

Teepause in einem Café in der Teheraner Innenstadt Foto: Ebrahim Noroozi/ap

Von Bahman Nirumand

Die Proteste im Iran, die auch am 11. Tag sporadisch in einigen Städte andauerten, haben zwar nicht zum einem Machtwechsel geführt, aber die längst bestehende Spaltung im System der Islamischen Republik spürbar vertieft. Während die Hardliner und Konservativen ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten fordern, zeigen sich die Reformer und Gemäßigten um das Schicksal der Gefangenen besorgt. Sie haben es durchgesetzt, dass eine nicht öffentliche Sitzung des Parlaments sich am gestrigen Sonntag mit den Protesten und deren Hintergründe beschäftigte.

Während die Hardliner die Proteste als von äußeren Mächten gesteuert und die Demonstranten als deren Lakaien bezeichnen, äußern Reformer Verständnis für die Anliegen der Protestierenden. Man könne nicht alle Schuld dem Ausland in die Schuhe schieben, sagte Präsident Hassan Rohani. Es gebe berechtigte Forderungen, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische und solche, die das gesamte System der Islamischen Republik betreffen.

Bei den Unruhen, die am 28. Dezember begannen, gab es bisher nach offiziellen Angaben 21 Tode und fast 2.000 Gefangene. Der Chef der Teheraner Justiz, Gholamhossein Esmaili, sprach von ersten Ermittlungen gegen Aufrührer und Unruhstifter. „Wir werden gegen Personen, denen ‚Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit‘ nachgewiesen wird, rasch und entschieden vorgehen“, sagte er.Noch am Donnerstag hatte Armeechef General Abdurahim Mussawi mit Einsatz des Militärs gegen „Randalierer“ gedroht. „Der große Satan (die USA), die Zionisten und ihr neuer Wasserträger (Saudi-Arabien) wollten dem Iran schaden. Falls es notwendig gewesen wäre, hätte sich auch die Armee an dem Kampf gegen die vom Teufel Verführten beteiligt“, sagte der General.

Generalstaatsanwalt Mohammad Dschafar Montaseri sprach von einem amerikanisch-israelisch-saudischen Plan, Unruhen im Iran zu initiieren und zu koordinieren. Ein Agent der CIA habe die Mission „Erfolgreiche Annäherung“ geleitet. Dem Plan gemäß sollte zunächst gegen die Preiserhöhungen demonstriert werden. Darauf sollten politische Proteste folgen, die schließlich in einen Volksaufstand münden. Die Saudis hätten die Mission finanziert, Israels Sicherheitsdienst sie unterstützt.

Am Freitag forderte der ­erzkonservative Freitagsprediger Ahmad Chatami ein erbarmungsloses Vorgehen gegen Rebellierende, die er als „Feinde des Islams und des Irans“ bezeichnete. Chatami, der zu den schärfsten Gegnern von Präsident Rohani gehört, warf der Regierung vor, das Internet und die sozialen Netzwerke nicht ausreichend kontrolliert zu haben. Das Internet sei der Weg, den die Feinde beschreiten, um Einfluss zu nehmen. „Wenn ihr eurem Feind erlaubt, in euer Haus zu kommen, geht ihr zugrunde“, sagte Chatami. „Man sagt, das Internet ist zu einem Feld geworden, auf dem der Glaube, die Moral und unsere Jugend geschlachtet werden. Lasst es nicht zu!“

Für Hardliner sind Protestierende Feinde des Islams und des Irans

Im Gegensatz zu den Hardlinern versuchen die Reformer und Gemäßigten, die Lage zu beschwichtigen. Hamid Abutalebi, ein enger Berater von Präsident Rohani, reagierte auf die Äußerungen Chatamis. Es sei nicht fair, alle Schuld der Regierung in die Schuhe zu schieben. Er warnte die Justiz, Demonstranten hinrichten zu lassen. „Einige Dinge kann man dann nicht mehr reparieren“, sagte er.

Die Reformfraktion im Parlament forderte Rechtsbeistand für festgenommene Demonstranten. „Es ist unsere legislative Pflicht, den Verhafteten, besonders den Studenten, einen angemessenen Rechtsbeistand zu besorgen“, sagte die Abgeordnete Fatemeh Saidi.

Der Abgeordnete Mahmud Sadeghi sagte laut der Nachrichtenagentur Irna, unter den 90 verhafteten Studenten gebe es zehn, über die es keine Information gebe. Es sei nicht bekannt, von welcher Behörde sie verhaftet worden seien und wo sie sich befänden. Er zeigte sich besorgt darüber, dass die Justiz zu hart gegen die Inhaftierten vorgehen könnte. Der Vizerektor der Teheraner Universität, Majid Sarsangi, sagte gegenüber der Presse, einige festgenommenen Studenten seien wieder frei. Das Innenministerium gab bekannt, dass 90 Prozent der Verhafteten unter 30 Jahre alt seien. Jugendliche unter 20 sollen aus der Haft entlassen werden.