Kolumne Geht’s noch?: Immer noch Beef um Döner
Einen Mordversuch auf zwei türkischstämmige Männer im brandenburgischen Kyritz bezeichnen Medien als „Döner-Krieg“. Autsch.
Man fragt sich: Was haben Deutsche eigentlich aus dem fahrlässigen Umgang mit den Opfern der NSU-Morde gelernt? Ließen sie sich eines Besseren belehren, nachdem sie die bisherigen Straftaten der Neonazi-Gruppe mit rassistischen Begriffen wie „Döner-Morde“ und „Bosporus-Mordserie“ betitelten und somit die Taten relativierten, nur um später herauszufinden, dass es keine mafiösen Intrigen zwischen „Landsleuten“, sondern terroristische Anschläge waren?
Natürlich nicht! Als hätten sie die letzten 15 Jahre jegliche Nachrichtenmeldungen wie graue Regenwolken an sich vorbeiziehen lassen, graben Journalist_innen ein Vokabular aus, das noch nie angemessen war: Im brandenburgischen Kyritz wurde am Neujahrsabend ein Anschlag auf Metin und Osman S. verübt. Als die Brüder in ihren Autos saßen, schoss ein Unbekannter fünf Mal auf die beiden – und verfehlte sein Ziel, sodass niemand verletzt wurde.
Und welche naheliegende Assoziation kommt bei einem versuchten Mord an zwei türkischstämmigen Männern in Ostdeutschland auf? Genau, die beiden Imbissbetreiber müssen in einem „Döner-Krieg“ (sic!) verwickelt sein, was auch sonst? Diesen Beef wittern Onlinemedien wie Bild.de und Focus.de sofort.
Kulturalisierte Anschläge
Vor Ort ermittelt die Polizei unter anderem gegen einen mutmaßlichen Angriff von konkurrierenden Imbiss-Betreiber_innen, schließt jedoch andere Motive nicht aus und warnt davor, die Tat voreilig als „Döner-Krieg“ zu bezeichnen.
Nur wenige Wochen nach dem Terroranschlag eines ehemaligen Neonazis in Veddel, einem migrantischen Stadtteil Hamburgs, wäre ein rechter beziehungsweise rassistischer Anschlag nicht auszuschließen – zumal über den oder die Täter noch nichts bekannt ist.
Doch wer automatisch auf einen „Döner-Krieg“ schließt, ist in seiner rassistischen Ignoranz und Böswilligkeit kaum zu übertreffen. Weil Täter von Anschlägen scheinbar muslimisch sein müssen, kann es sich nur um einen Ehrenmord, Bandenkrieg oder ein ähnliches kulturalisiertes Motiv handeln, wenn die Opfer nicht weiß sind.
Doch wer automatisch auf einen „Döner-Krieg“ schließt, ist in seiner rassistischen Ignoranz und Böswilligkeit kaum zu übertreffen.
Im Vokabular so eng an den Falschmeldungen nach den NSU-Morden zu kleben und die Berichterstattung mit Dönerspießen zu bebildern zeigt, wie die Auseinandersetzung mit rassistischem Terror stattfindet: nämlich so gut wie gar nicht. Ob ein Angriff auf einen weißen deutschen Imbissbudenbesitzer als Schnitzeljagd bezeichnet werden würde? Wohl kaum.
Leser*innenkommentare
Neinjetztnicht
Puh, das riecht ja geradezu nach NSU 2.0...
Übrigens: Danke für die Erwähnung der Veddel... Scheint so ein bißchen an den "Mainstreammedien" vorbeigegangen zu sein. Rechter Terror ist ja auch uninteressant... "Dönermorde" sind viel unterhaltsamer!
70704 (Profil gelöscht)
Gast
Korrigierte Antwort
Hallo Vulkansturm,
im Artikel steht, dass die Polizei vor dem Begriff "Döner-Krieg" warnt und nicht, dass die Polizei nur die Konkurrenz verdächtigt...
vulkansturm
Dönerläden sind Konkurrenz gewöhnt, da es fast überall recht viele davon gibt. Der Konkurrenkampf wird aber eher mit Preissenkungen und Reklameaktionen durchgeführt. Habe noch nie davon gehört, das es deswegen zu Mordanschlägen gekommen ist. Gerade in einem kleinen ostdeutschen Kaff dürfte ein fremdenfeindlicher Hintergrund nahe liegen. Aber natürlich verdächtigt die Polizei die Konkurrenz. Da steckt schon ein rassistisches Vorurteil dahinter, da man wohl meint, dass Türken halt so ihren Konkurrenzkampf ausleben. Bei einem deutschen Imbiss käme man kaum auf diese Idee. Noch schlimmer und gruseliger ist tatsächlich was die Medien daraus machen, die nach den NSU-Morden eigentlich dazugelernt haben müssten.