„Gilt ab sofort“

CHRONIK Im November fällt die Mauer

1. November 1989, Moskau: Egon Krenz bespricht mit Gorbatschow die Krise der DDR. Dabei macht der KPdSU-Chef deutlich, dass die „deutsche Frage“ nicht auf der Tagesordnung steht.

5. November, Prag/Ostberlin: Über das Wochenende des 4./5. November reisen insgesamt 23.200 DDR-Bürger über die ČSSR in die Bundesrepublik aus.

6. November, Ostberlin/Bonn: Die SED-Spitze veröffentlicht den angekündigten Reisegesetz-Entwurf. In Bonn kommt Alexander Schalck-Golodkowski mit Bundeskanzleramtsminister Rudolf Seiters zusammen. Die Themen: Wirtschaftshilfe, Reiseerleichterungen.

8. November, Ostberlin: Eröffnung der dreitägigen Sitzung des SED-Zentralkomitees, zu deren Beginn das Politbüro geschlossen zurücktritt. Die bankrotte Lage der DDR wird offensichtlich. Das ZK lässt die Bürgerrechtsbewegung „Neues Forum“ als Vereinigung zu.

9. November, Berlin: Tag des Mauerfalls. Mitglieder des Politbüros haben am Morgen den erarbeiteten 30-Tage-Reiseregelungs-Entwurf bestätigt. Günter Schabowski gibt um 18.53 Uhr die neue Reiseregelung bekannt. Auf die Nachfrage, wann die Regelung in Kraft treten soll, antwortet Schabowski: „Gilt ab sofort, unverzüglich!“ Tausende Ostberliner gehen am Abend zu den Grenzübergängen und drängen in den Westen. Die Mauer fällt, auf ihr wird getanzt.

10. November, Berlin: Die SED kann die Lage nicht mehr kontrollieren. Krenz: „Panik und Chaos breiten sich aus.“ Auf einer Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus sprechen Walter Momper, Hans-Dietrich Genscher, Willy Brandt und Helmut Kohl vor 40.000 Zuschauern.

11. November, Berlin/Bonn: An diesem Samstag strömen weit über eine Million Ostberliner und Bewohner des Umlandes nach Westberlin. An den Grenzpunkten wird nicht kontrolliert. Vor Banken und Sparkassen, die 100 DM Begrüßungsgeld auszahlen, bilden sich lange Schlangen.

16. November, Bonn: Der Bundestag diskutiert über eine mögliche Wiedervereinigung. Kohl erklärt, dass die „Landsleute in der DDR“ selbst entscheiden müssen, welchen Weg sie „in Zukunft gehen wollen“.

17./18. November, Ostberlin: Die Volkskammer wählt eine neue Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow.

20. November, Ostberlin/Bonn: Modrow, Krenz und Schalck versuchen in Verhandlungen mit Kanzleramtsminister Seiters aus dem Missgeschick des 9. November Kapital zu schlagen und fordern für politische Reformen finanzielle Hilfe.

21. November, Bonn/Moskau: Nikolai Portugalow, Mitarbeiter im ZK, sagt, es sei vorstellbar, dass die Sowjetunion mittelfristig einer wie immer gearteten „deutschen Konföderation“ grünes Licht geben könnte.

28. November, Bonn: Im Bundestag gibt Kohl sein deutschlandpolitisches „Zehn-Punkte-Programm“ bekannt, das über einen Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren die stufenweise Entwicklung konföderativer Strukturen mit dem Ziel einer einheitlichen bundesstaatlichen Ordnung beinhaltet. Ziel soll die Wiedervereinigung sein. ROLA