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berliner szenenEin Ketchup-Fleck, zum Aufs-Sofa-Legen

Im Scherzartikelladen interessiert sich eine junge Frau mit grauer Wollmütze für die Wundertüten, die auf einem Pappschild angeboten werden: „Was ist denn da drin?“ „Wunder“, entgegnet die Verkäuferin auf dem Weg zum anderen Ende der Theke, wo eine zweite Kundin schon länger auf Beratung wartet: „Ich such was für einen Siebenjährigen.“

„Ja“, sagt die Verkäuferin, „da gibt’s zum Beispiel die Euro-Falle, die Wurmpillen, und der Ketchup-Fleck ist auch cool.“ „Was ist denn der Ketchup-Fleck?“, fragt die Kundin. „Den kann man aufs Sofa legen.“

Die Frau muss überlegen, und die mit der Mütze nutzt die Gelegenheit: „Ich such auch noch ein Geschenk. Sind die Roboter für Vierjährige geeignet?“ Die Verkäuferin holt einen Roboter aus recyceltem Silberblech vom obersten Regal. „Ne, auf keinen Fall.“ Sie stellt ihn wieder zurück. „Was wäre denn für einen Vierjährigen geeignet?“ „Für Vierjährige haben wir hier nichts. Is’ kein Kleinkind-Laden.“ Kundin zwei entscheidet sich derweil für die Euro-Falle.

Die mit der Mütze: „Und was sind das für Bonbons?“ „Die haben merkwürdige Geschmäcker, die man nicht ahnt.“ „Ah, wie bei Harry Potter.“ An den Bonbongläsern kleben handgeschriebene Etiketten: „Pfeffer“, „Knoblauch“, „Blau“, „Salz“. „Und was ist Blau für ein Geschmack?“ „Die färben die Zunge blau.“ Sie kassiert von der anderen Kundin zwei Euro fünfzig für die Euro-Falle.

Jetzt hat sich auch die mit der Mütze entschieden: „Ich nehm doch nur die Wundertüten.“ Für sich: „Wie viele brauch ich denn?“ Sie zählt ein paar Namen an den Fingern ab. „Fünf. Sind noch fünf da?“ Die Verkäuferin zieht eine weiße Plastikkiste unterm Tresen hervor. Darin liegen fünf dreieckige Tüten aus regenbogenfarbigem Geschenkpapier. „Fünf Euro.“ „Und kann ich von den Losen auch noch welche mitnehmen?“ „Ne.“ „Wieso nicht?“ „Das macht keinen Sinn, das funktioniert nur hier im Laden.“ Anna Lerch

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