berliner szenen: Reis, Hühnchen und Gemüse
In einem Asia-Imbiss in Mitte sitzen zwei Frauen um die vierzig an einem der Tische im hinteren Bereich des Ladens. Beide trinken Ingwertee. Die eine, Brille und dunkler Bob, isst die Drei. Die andere, die blonden Haare zusammengebunden, stopft sich eine Papierserviette in den Kragen, bevor sie mit der Gabel in die Dreizehn fährt.
Während ich mir meine Bratnudeln in den Mund schiebe, erfahre ich, dass ein ehemaliger Kollege der Blonden jetzt in London arbeitet: „Ich war gestern mit dem Mittag essen. Ich weiß ja, wie’s läuft. Hab mich schön einladen lassen. Aber manches vergisst man einfach nicht. Ich vergesse nie, wie der mir damals ganz beiläufig auf dem Weg zur Toilette die Kündigung ausgesprochen hat. Und BMW war mein Hauptgeschäft damals. Haben gute Tagessätze gezahlt. Das war auch der Grund, warum ich umgezogen bin. Konnte mir die Wohnung einfach nicht mehr leisten. Da denkt so einer ja gar nicht drüber nach, dass er jemandem einfach so die Existenzgrundlage entzieht. Und jetzt erzählt der mir, er würde gern wieder nach Berlin, aber nur als Geschäftsführer, ich solle mal die Ohren offen halten.“ Die andere schüttelt den Kopf.
Ein Mann kommt an den Tisch, fragt, ob noch frei sei, und setzt sich neben die Blonde. Er hat die Vierzig. Still vermengt er Reis, Hühnchen und Gemüse. Die Blonde fragt ihre Begleiterin: „Und du kriegst das Spritgeld nicht erstattet?“ „Nee, muss alle Reisekosten selbst zahlen und für den Juniorchef gibt’s ’nen Dienstwagen, Tiefgaragenplatz und ’ne Tankkarte.“ „Du musst da weg. Tu dir das doch nicht an! Das zeigt doch nur, was die für ’ne Angst vor dir haben.“ Der Mann blickt von seinem Nudelgericht auf, was die Blonde aber nicht registriert: „Ganz ehrlich, ich hab so viele Typen getroffen, die mir nicht das Wasser reichen konnten.“ Der Mann kaut. Anna Lerch
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