: Auf den Schwingendes Misserfolgs
Verletzungen, Nachlässigkeit, Wind? Die Suche nach den Ursachen des Absturzes der österreichischen Springer gestaltet sich recht schwierig
Aus Innsbruck Klaus-Eckhard Jost
Von wegen Felix-Austria. Bei den rot-weiß-roten Skispringern wird nicht erst seit dem Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen das Wort Krise benutzt. Gerade zwei der sechs Springer konnten sich für den zweiten Durchgang qualifizieren, auch Stefan Kraft scheiterte. Der Doppel-Weltmeister und Sieger des Gesamt-Weltcups musste damit seine Hoffnungen auf den zweiten Tourneesieg begraben. Für die österreichischen Springer war dies das schlechteste Resultat seit 39 Jahren.
Nach so einem Debakel wird im skiverrückten Österreich nicht nur heftig diskutiert, sondern sofort der Trainer infrage gestellt. Als Anführer dieser Diskussion agiert Alexander Pointner, bis vor vier Jahren selbst noch Cheftrainer. Doch Ernst Vettori stellt sich vor seinen aktuellen Coach. „Heinz Kuttin ist ein guter Trainer“, sagt der Sportliche Leiter nordisch im Österreichischen Skiverband (ÖSV). Auch Präsident Peter Schröcksnadel stehe zu Kuttin. „Er ermutigt uns, unseren eingeschlagenen Weg weiterzugehen“, berichtet Vettori.
Das Vertrackte an der momentanen Situation ist, dass Trainer Kuttin keine griffige Erklärung für die Krise hat. Auch am Tag nach dem Debakel nicht, als das ÖSV-Team im Mannschaftshotel den Medien Rede und Antwort stand. Offenbar damit die Journalisten nicht allzu viel fragen, mussten sie stehen. Die Vorbereitung im Sommer sei ähnlich gewesen wie in den Jahren davor, sagte Kuttin, er habe lediglich ein paar kleine Anpassungen vorgenommen. „Ich habe mich noch nie so gut vorbereitet gefühlt“, sagt Springer Kraft – und hadert trotzdem. Kuttin sucht einen anderen Ansatz: „Es gibt immer wieder Phasen, in denen das Pendel in die eine Richtung schlägt oder in die andere.“ Trotzdem hatte er vor der Tournee mit seinen Springern ein ernsthaftes Gespräch geführt und mehr Bereitschaft gefordert, Verantwortung zu übernehmen.
Über viele Jahre befanden sich die österreichischen Skispringer auf Wolke sieben. Siebenmal hintereinander hat in den vergangenen zehn Jahren einer der „Super-Adler“, wie Pointner seine Springer bezeichnet hat, die Vierschanzentournee gewonnen. Dazu kamen der Doppel-Olympiasieg durch Thomas Morgenstern in Turin, mehrere WM-Titel sowie Siege im Gesamt-Weltcup.
Österreichs Skisprung-Legende Toni Innauer hat einen simple Grund für die schwierige Lage ausgemacht. „Wir haben sehr viele, sehr gute Trainer exportiert“, sagt der Tiroler, der als ZDF-Experte arbeitet. Er denkt dabei nicht nur an Werner Schuster in deutschen Diensten, sondern auch an Stefan Horngacher bei den Polen, Alexander Stöckl in Norwegen, Andreas Mitter als Entwicklungshelfer in Finnland oder Richard Schallert in Tschechien. „Dadurch fehlen uns gute Coaches im Nachwuchs“, sagt Innauer. Doch dieses Argument will das Duo Vettori und Kuttin nicht gelten lassen. In den Nachwuchsklassen könnten ÖSV-Springer immer wieder vordere Plätze erringen. Zustimmung gibt’s in diesem Sinn von Stefan Kraft: „Ich konnte mich unter Heinz zu einem Weltklassespringer entwickeln.“
Nach 2 von 4 Springen
1. Kamil Stoch (POL) 563 Punkte
2. Richard Freitag (D) 551
3. Dawid Kubacki (POL) 531
4. Junshiro Kobayashi (J) 526
5. Anders Fannemel (NOR) 526
6. Johann Forfang (NOR) 519
7. Andreas Wellinger (D) 515
8. Markus Eisenbichler (D) 513
9. Tilen Bartol (SLO) 511
10. Karl Geiger (D) 509
11. Jernej Damjan (SLO) 504
12. Robert Johansson (NOR) 504
13. Stephan Leyhe (D) 497
14. Daniel A. Tande (NOR) 494
15. Gregor Schlierenzauer (AUT) 494
...
22. Michael Hayböck (AUT) 469
...
27. Stefan Kraft (AUT) 380
Auf der anderen Seite will Vettori die Situation auch nicht schönreden. „Das war eine Watsch’n, dass wir nur so schauen“, sagte er auch noch am Tag danach. Sein Team müsse das Springen analysieren, alles hinterfragen, überall nachjustieren. „Die Verletzungen oder den Wind als Begründung für die miserablen Leistungen will ich nicht gelten lassen, das darf auch keine Ausrede sein.“
Immerhin hatten sich Gregor Schlierenzauer und Michael Hayböck kurz vor der Saison am Knie beziehungsweise Sprunggelenk verletzt. Ausgerechnet Schlierenzauer ist nun auf Position 15 der bestplatzierte Österreicher in der Wertung der Vierschanzentournee. Ein Siegkandidat ist der mit 53 Siegen erfolgreichste Springer jedoch nicht.
Nun kommt die Tournee nach Österreich. Das Bergiselstadion ist mit 22.500 Zuschauern bereits ausverkauft, heute steigt das dritte Springen (ZDF, 15 Uhr). Die meisten erwarten einen österreichischen Sieger. „In Innsbruck habe ich die Chance, wieder in die Spur zu finden“, sagt Kraft. Sein Coach Kuttin ist sich sicher: „Der Druck ist jetzt weg.“ Er hofft auf eine Trotzreaktion.
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