Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet:
Zu den Klassikern des poetischen Realismus gehört Marcel Carnés 1938 entstandenes Drama „Le jour se lève“ (1938), in dem der resignative Grundton von Jacques Préverts Drehbuch die melancholische Stimmung des Films ebenso bestimmt wie die Bauten des Filmarchitekten Alexandre Trauner: schäbige Mietskasernen und eine hässliche Fabrik in einem tristen Vorstadtviertel, kleine trostlose Häuschen entlang von Bahngleisen, die vom Dampf der Lokomotiven eingehüllt werden. In dieser Gegend gibt es keine Zukunft, vor allem nicht für einen Arbeiter (Jean Gabin), der sich nach dem Mord an dem Verführer seiner Verlobten vor der Polizei in seinem kleinen Zimmer verschanzt. Dort rekapituliert er noch einmal die Ereignisse der letzten Tage und ergibt sich schließlich seinem Schicksal (OmEnglU, 5. 1., 17.45 Uhr, 10. 1., 19.30 Uhr, Babylon Mitte).
Mit „Dunkirk“, seinem Kriegsdrama über die Evakuierung alliierter Truppen aus dem von der deutschen Wehrmacht im Jahr 1940 eingeschlossenen nordfranzösischen Dünkirchen, hat der englische Regisseur Christopher Nolan den wohl physischsten aller Kriegsfilme geschaffen: ein 106 Minuten dauerndes Bild- und Tonbombardement. Die Evakuierung wird in drei Handlungssträngen auf drei Zeitebenen in Szene gesetzt; dabei dehnt und komprimiert Nolan die Zeit nach Belieben, sodass der Eindruck von unmittelbarer Gleichzeitigkeit entsteht. So beeindruckend wie die Bilder von Zerstörung und Verzweiflung ist auch die ausgeklügelte Soundlandschaft des Films, die Geräusche mit einem düsteren Hans-Zimmer-Score verbindet: Dumpf grollende Bassfrequenzen, spitzes Dauerstakkato und ein erbarmungsloses symbolisches (Uhren-)Ticken zielen direkt auf die Magengrube und Nervenkostüm ab (OmU, 5. 1., 19.30 Uhr, 6. 1., 17.30 Uhr, Filmrauschpalast).
Auch wenn die Figuren des Disney-Computeranimationsfilms „Vaiana“ alle ein wenig nach Merchandising-Produkten aussehen: Tatsächlich ist die Geschichte der Seereise einer jungen Polynesierin, die ihr Inselparadies vor einem Fluch retten will, ein schönes Beispiel dafür, wie man die (auch schon nicht mehr ganz) neue Technik mit einem eher traditionellen Verständnis des Filmemachens verbinden kann. Denn die Regisseure Ron Clements und John Musker sind Disney-Veteranen seit den 1980er Jahren, und ihr filmischer Rhythmus entstammt nicht wirklich der Jetztzeit. Doch sie wissen genau, wie sie den Figuren Leben und Witz einhauchen können, und wie attraktive Songs das Drama einer Selbstfindung noch weiter überhöhen (5. 1., 16 Uhr, IL Kino).
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