„Raus aus dem Silodenken“

Anton Hofreiter will wieder Grünen-Fraktionschef werden und fordert interdisziplinäres Arbeiten

Von Ulrich Schulte

Den Grünen stehen schwierige Jahre bevor: Nach dem kurzen Jamaika-Traum droht ihnen nun wieder die Opposition. Sie stellen die kleinste Fraktion im Bundestag, das bedeutet kurze Redezeiten und wenig Aufmerksamkeit für eigene Themen. Was tut die Fraktion gegen den möglichen Bedeutungsverlust?

Ein wichtiges Datum ist der 12. Januar. An dem Tag wählen die 67 Abgeordneten bei einer Klausurtagung ihre beiden Fraktionsvorsitzenden. Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt, die bisherigen ChefInnen, haben angekündigt, sich erneut zur Wahl zur stellen.

Hofreiter skizziert jetzt in einem Bewerbungsschreiben, das am Montag an die Abgeordneten geschickt wurde, wie er sich die Fraktionsarbeit in Zukunft vorstellt. Die Grünen sollten weniger Zeit in tradierten Gremien zubringen und mehr Zeit darauf verwenden, gemeinsam nach Antworten auf große Fragen der Gesellschaft zu suchen, schreibt Hofreiter.

„Wir müssen raus aus dem Silodenken der Fachzuständigkeiten und festgefahrenen Debattenstrukturen“, fordert der 47-jährige Münchner, der seit Oktober 2013 an der Spitze der grünen Bundestagsfraktion steht. Konkret schlägt er Zukunftslabore vor. Die grünen Abgeordneten sollen in einjährigen Projektgruppen Fragen beantworten – „interdisziplinär und kreativ, mit Einbindung gesellschaftlicher Gruppen“.

Bisher ist die inhaltliche Arbeit der Fraktion durch fünf Arbeitskreise zu unterschiedlichen Themen organisiert, die von den Fraktionsvizes koordiniert werden. Der AK 1 kümmert sich beispielsweise um Wirtschaft, Finanzen und Soziales, der AK 2 um Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verkehr. Hofreiter will nun „mehr Raum für AK-übergreifendes innovatives Arbeiten schaffen“.

Die Grünen-Fraktion müsse den Diskurs im Parlament prägen, fordert er. Statt denselben Antrag mit 15 Spiegelstrichen erneut ins Plenum einzubringen, sollten sich die Grünen stärker auf die Arbeit im Plenum selbst, mit Reden, Interventionen und Fragen konzentrieren. Sein Fazit: „Wenn wir nicht im Aufmerksamkeitsloch verschwinden wollen, müssen wir Mut zu Zuspitzung und Schnelligkeit haben.“

Dass Göring-Eckardt und Hofreiter gewählt werden, gilt als sehr wahrscheinlich – Konkurrenz um die Spitzenposten ist bisher nicht in Sicht. Manche Realos sähen gerne Cem Özdemir an der Fraktionsspitze, der nicht mehr als Parteivorsitzender kandidieren will. Doch Özdemir selbst hat bisher keine Anstalten gemacht, seinen Hut in den Ring zu werfen. Er hätte gegen den populären Hofreiter in einer Kampfabstimmung keine Chance, sagen mehrere Abgeordnete.

Auch Britta Haßelmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin, bewirbt sich wieder um ihren Job. Ihre Wiederwahl gilt ebenfalls als wahrscheinlich. Haßelmann ist kundig, beliebt, und sie hat vor Weihnachten mit einem fulminanten Auftritt im Parlament bewiesen, wie man der AfD Kontra gibt. Personelle Veränderungen wird es in der zweiten Reihe geben. Kerstin Andreae, Reala und Wirtschaftspolitikerin aus Baden-Württemberg, hat angekündigt, die Koordination des wichtigen AK 1 abzugeben. Um ihre Nachfolge wollen sich die wettbewerbspolitische Sprecherin Katharina Dröge und der Finanzexperte Gerhard Schick bewerben. Beide gehören zum linken Flügel.