Stadt der Engel

STARTHILFE Der Kontakt zu Business Angels kann für ein Unternehmen in Gründung entscheidend sein. Sie thematisieren, was im Tagesgeschäft vernachlässigt wird: Wohin soll die Entwicklung gehen? Welche grundsätzlichen Fehler können vermieden werden?

■ Die deGUT ist eine der größten Messen rund um das Thema Existenzgründung und Unternehmertum.

■ Sie findet am 26. und 27. Oktober von jeweils 10 bis 18 Uhr im ehemaligen Flughafen Tempelhof statt: Columbiadamm 10, 12101 Berlin, Hangar 2.

■ Auf dem Marktplatz, dem Herzstück des Ausstellerbereichs, finden Diskussionsrunden mit den deGUT-Repräsentantinnen und -Repräsentanten und den Gewinnerinnen und Gewinnern des KfW-Awards „Unternehmen“ – GründerChampions 2012 statt. Darüber hinaus ist hier die Plattform, um sich mit anderen auszutauschen – in der moderierten Kontaktbörse kann man Gleichgesinnte kennen lernen.

■ Während des Messebesuchs können Besucher ihre Kinder kostenfrei betreuen lassen. Die Nesthäkchen-Agentur wird sich am Freitag und Samstag jeweils zwischen 10 und 18 Uhr um die Kinder kümmern. Das Mindestalter beträgt 1 Jahr. Während dem Betreuungszeitraum ist auch für die Verpflegung gesorgt; Eltern von Kindern mit einer Lebensmittelunverträglichkeit werden gebeten, Getränke und Snacks selbst mitzubringen und das Betreuungspersonal vor Ort zu informieren.

www.degut.de

VON MIRKO HEINEMANN

Die meisten Unternehmensideen, weiß Bernd Monitor, sind Kopien. „Meistens werden Trends aus den USA repliziert. Erstaunlicherweise funktioniert das sogar ganz gut – sofern man unter den ersten zwei oder drei ist, die das machen.“ Bernd Monitor ist „Business Angel“, einer von 65 in Berlin und Brandenburg, die im Business Angels Club organisiert sind. Der einstige Unternehmensgründer gibt heute seine Erfahrung als ehrenamtlicher Coach an junge Start-ups weiter, er vermittelt Gründungskapital, manchmal beteiligt er sich sogar selbst.

Auch auf der deGUT werden die „Angels“ vertreten sein. Beim sogenannten Speeddating werden fünf Gründer jeweils acht Minuten Zeit haben, um einer Runde von erfahrenen Unternehmern ihre Idee vorzustellen. Die überzeugendsten Geschäftsideen erhalten ein Coaching zur Weiterentwicklung der Idee oder des Unternehmens.

Das erste Projekt, das Bernd Monitor betreute, lernte er vor vier Jahren kennen – bei einem „Matching“, einer Vorstellungsrunde bei den Business Angels, an der auch Vertreter der Investitionsbank Berlin oder von Privatbanken teilnehmen können. „Die drei Jungs kamen frisch von der Uni“, erinnert sich Monitor, „und waren schon von diversen Kapitalgebern abgelehnt worden.“ Nach der Präsentation wunderte er sich. Die Idee war gut – und ihrer Zeit voraus. Es handelte sich um eine Unternehmens-IT für das Umweltschutz-Management, von Gefahr- und Giftstoffen etwa, auf Basis von Cloud Computing. Hierbei wird die Software nicht auf einem Server im Unternehmen installiert, sondern auf externen Rechenzentren, und sie wird über das Internet angesteuert. Somit muss der Kunde keine eigenen IT-Spezialisten beschäftigen, die gesamte technische Abwicklung wird vom Dienstleister erledigt. „Heute sind Cloud-Lösungen gang und gäbe“, sagt Monitor, „aber damals waren sie neu.“

Wirtschaft ist nicht nur Ökonomie, sondern ein Gestaltungsvorgang

Monitor, selbst Software-Spezialist, erkannte das Potenzial der Idee. Er stellte sich als Coach zur Verfügung und vermittelte eine Finanzierung über den Gründungsfonds der Business Angels. Auch der Hightech-Gründerfonds, eine Kapitalgesellschaft speziell für innovative Unternehmen aus dem Internetbereich, stieg ein. Heute ist das Berliner Unternehmen EcoIntense nach eigenen Angaben führender Anbieter von Software-Lösungen im Arbeits- und Umweltschutz und beschäftigt über 20 Mitarbeiter in mehreren Niederlassungen.

„Im Nachhinein würde ich sagen, dass Bernd Monitor einen großen Anteil am Erfolg unseres Unternehmens hatte“, sagt Markus Becker, Geschäftsführer von EcoIntense und einer der drei Gründer. In der Gründungsphase gab es alle zwei bis drei Wochen einen festen Termin. „Es ging um Themen, die im Tagesgeschäft vernachlässigt werden“, erinnert sich Becker. „Wohin wollen wir uns entwickeln? Welche grundsätzlichen Fehler können wir vermeiden?“ Wenn es um Fragen ging wie den Aufbau des Vertriebs etwa, konnte Monitor konkrete Hilfestellung leisten. Ein Jahr lang betreute er die Gründer, dann klinkte er sich allmählich aus.

Wie wichtig ein Mentor sein kann, das hat Bernd Monitor am eigenen Leib erfahren. Als er mit 24 Jahren sein eigenes Unternehmen gründete, hatte er einen älteren Partner, der ihn in die Grundlagen des B2B-Geschäfts einführte, der Kommunikation mit Auftraggebern in anderen Unternehmen. Seine IT-Firma startete Anfang der 1990er Jahre in Hamburg; das Internet steckte noch in den Kinderschuhen. Monitor war Musiker und hatte ein Jahr lang bei der jungen Musiksoftware-Firma Steinberg gearbeitet, die mit Programmen wie Cubase oder Wavelab bis heute den Standard der digitalen Musikproduktion definiert. Sein Job: Aufbau einer internationalen Kommunikationsstruktur für digitale Daten, noch bevor es das Internet gab. Als sich das Internet für den kommerziellen Gebrauch öffnete, war er ein Pionier: Er entwickelte mit die ersten IT-Infrastrukturen für Unternehmen. Das Geschäft lief blendend, in besten Zeiten hatte seine Firma 20 Mitarbeiter und beriet Kunden wie die Deutsche Telekom. Bis Bernd Monitor ausstieg. Die Firma konnte sich danach nicht halten und ging in die Insolvenz.

Statt selbst eine Firma zu führen, berät er heute lieber andere. Der Antrieb, junge Gründer zu beraten, entspricht seiner Vorstellung, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. „Wirtschaft ist nicht nur Ökonomie, sondern ein Gestaltungsvorgang“, sagt er. Die reine Rendite, der Kosten-Nutzen-Faktor, sei unwichtig. Ihm geht es um neue Ideen, die Wirtschaft und Gesellschaft weiter treiben. Ein klassisches Handelshaus im Internet? Schuhe online verkaufen? „Das interessiert mich nicht.“ Er will Innovationen sehen, erleben, wie neue Ideen greifen – und beobachten, wie das Unternehmen wächst.

■ Der Business Angels Club Berlin-Brandenburg (BACB) betreut rund 100 Existenzgründungen pro Jahr, die 65 Mitglieder arbeiten ehrenamtlich.

■ Business Angels coachen junge Unternehmer, verschaffen ihnen Zugang zu ihren Netzwerken und vermitteln Kontakte zu Kapitalgebern.

■ Der BACB hat einen eigenen Gründerfonds eingerichtet, der in der Gründungsphase sogenanntes Seed-Kapital von bis zu 300.000 Euro bereitstellen kann. Die Laufzeit beträgt mindestens drei, maximal sechs Jahre.

■ Manche Business Angels beteiligen sich mit ihrem Privatkapital an Gründungen. (mh)

Infos: www.bacb.de

Und wenn es schief geht? „In Deutschland wird man als gescheiterter Gründer stigmatisiert“, sagt Monitor. „Man wird von allen Listen gestrichen, für Kapitalgeber ist man gestorben. Vielleicht muss man sogar Privatinsolvenz anmelden, weil man sein Vermögen ins Unternehmen gesteckt hat.“ Ausgerechnet diese Leute, findet er, müssten aber doch am besten wissen, welche Fehler man machen kann – und wie man sie in Zukunft vermeidet.

Deshalb ist Monitor im November mit von der Partie, wenn der Business Angels Club gemeinsam mit dem Entrepreneurs Club Berlin die „FailCon“ veranstaltet: ein Treffen, auf dem gescheiterte Gründer erzählen sollen, was bei ihnen schiefgelaufen ist. Hier könnten die Deutschen von den USA lernen, wo die Unternehmenskultur eine völlig andere sei: „Wer scheitert, versucht es einfach noch mal.“