Der erhoffte Frieden ist weit entfernt

Die katholische IRA hat den bewaffneten Kampf aufgegeben, die Todesschwadronen der Unionisten aber nicht

Unter den Unionisten tobt ein Vernichtungskrieg. Die Polizei befürchtet weitere Eskalationen

DUBLIN taz ■ Von dem Frieden, den man sich Ende Juli in Nordirland erhoffte, ist die britische Krisenprovinz weit entfernt. Zwar hat die Irisch-Republikanische Armee (IRA) vor sechs Wochen erklärt, dass sie den bewaffneten Kampf einstellen und ihre Waffen ausmustern werde, doch auf protestantischer Seite ist von einer Waffenruhe keine Rede – im Gegenteil: Der Konflikt ist eskaliert.

Vor allem im Norden der Grafschaft Antrim, dem Wahlkreis des Pfarrers Ian Paisley, ist die katholische Minderheit vehementen Angriffen ausgesetzt. Zahlreiche katholische Kirchen und Schulen wurden angegriffen, Geschäfte niedergebrannt und die Häuser katholischer Familien verwüstet. Paisley hat dazu bisher geschwiegen, er hält die IRA für die Wurzel aller Probleme, obwohl deren Waffen bereits seit mehr als zehn Jahren ruhen. Auch London hat bisher lediglich die Entwaffnung der IRA, nicht jedoch der loyalistischen Terrorgruppen verlangt – trotz einer bitteren Fehde unter zwei loyalistischen Organisationen, der seit Anfang Juli fünf Menschen zum Opfer gefallen sind.

Der Loyalismus ist eine besondere Ausprägung des Unionismus: Die Unionisten wollen die Union Nordirlands mit Großbritannien beibehalten und kämpfen dafür mit politischen Mitteln. Die Loyalisten hingegen fühlen sich nicht den demokratischen britischen Institutionen verpflichtet, sondern lediglich der britischen Krone. Ihre Organisationen, die Ulster Volunteer Force (UVF) und Ulster Defence Association (UDA), sind verboten, ihre Todesschwadronen operieren unter Decknamen weiter.

Von der UVF hatte sich in den Neunzigerjahren die Loyalist Volunteer Force (LVF) abgespalten. Seitdem bekämpft die UVF sie mit allen Mitteln. Bis vor zwei Jahren musste die Organisation allerdings etwas Zurückhaltung üben, weil die LVF unter dem Schutz der UDA stand. Doch dann fand ein Machtwechsel an der Spitze der UDA statt, und seitdem ist die LVF der größeren UVF ausgeliefert. „Wir verhandeln mit ihnen nicht mehr“, sagte ein UVF-Mann, „die Leute haben die Nase voll von diesen Gangstern.“ Die Polizei befürchtet eine weitere Eskalation. „Es ist ein Vernichtungskrieg“, sagte ein hochrangiger Polizeibeamter. „Er wird erst dann aufhören, wenn die LVF sich auflöst oder alle ihre Mitglieder auf dem Friedhof liegen.“ RALF SOTSCHECK