Esther Slevogt
betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
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Der Kadavergehorsam der Deutschen war berüchtigt. Wenn einer mit Uniform irgendetwas brüllte, stand die Nation stramm. Diesen Webfehler in der deutschen DNA machte sich vor über 100 Jahren ein arbeits- und obdachloser Schumacher zunutze, um die Stadtkasse des damals noch nicht zu Berlin gehörenden Städtchens Köpenick in seinen Besitz zu bringen. Zuvor hatte er mehrfach versucht, an Arbeit und Wohnung zu kommen. Und gültige Papiere. Ohne Wohnung keine Arbeit, ohne Arbeit keine Wohnung. So war das damals und ist es wahrscheinlich immer noch. Dann kaufte der Schuster sich beim Trödler eine Uniform, kommandierte einen Trupp Gardesoldaten ab und verlangte derart begleitet kurz darauf die Übergabe der Stadtkasse. Der Fall machte 1906 als Geschichte vom Hauptmann von Köpenick Furore. Der große Schauspieler Fritz Kortner erzählte Jahre später seinem Freund, dem Schriftsteller Carl Zuckmayer, von dieser so deutschen Geschichte. Der schrieb dann, kurz vor dem Ausbruch des ganz großen deutschen Uniformwahns, das berühmte Stück „Der Hauptmann von Köpenick“, das 1931 im Deutschen Theater uraufgeführt wurde. Nun kehrt der Stoff ans Deutsche Theater zurück, wo ihn Jan Bosse mit Texten von Armin Petras angereichert hat. Die Titelrolle spielt Milan Peschel (Deutsches Theater: Premiere 21. 12., 19.30 Uhr).

Aber man kann sich kurz vor Jahresende auch einfach noch einmal dem Träumen hingeben. Dafür eignet sich ein Besuch im Friedrichstadtpalast, eigenen Angaben zufolge die größte Theaterbühne der Welt! Dort steht die Revue „The One“ auf dem Plan, von keinem Geringeren als Jean-Paul Gaultier ausgestattet. Die Geschichte, die die spektakulären Bilder der Show generiert, geht so: Ein verlassenes Revuetheater wird durch eine Party aus dem Tiefschlaf gerissen. Einer der Gäste verliert sich in der Aura des Ortes und erweckt vor seinem inneren Auge alte Zeiten. „Immer stärker spürt der junge Mann dabei die Sehnsucht nach dem einen Menschen, der alles für uns bedeutet – THE ONE“, erklärt das Theater zu seinem sehenswerten Spektakel mit über 100 Mitwirkenden (Friedrichstadtpalast: „The One“, 21.–23. 12., jeweils um 19.30 Uhr, 25.–26. 12, jeweils um 15.30 Uhr + 19.30 Uhr, 27. 12.–3. 1. 19.30 Uhr außer 1. 1.)

Dem erlösenden „The One“ ist ja in gewisser Weise auch das Fest gewidmet, das aktuell unser Stadtbild dominiert. Im Gorki Theater steht das unglaublich schöne musikalische Kammerspiel „Schwimmen lernen“ von Sasha Marianna Salzmann und Hakan Savas Mican wieder auf dem Plan. Hingehen! (Gorki Theater: 29. & 30. 12., 19.30 Uhr)