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: Laster sollen mit Strom aus Oberleitungen fahren

Startschuss für ein Pilotprojekt in Hessen. Auf der A5 bei Darmstadt können E-Laster künftig während der Fahrt Strom tanken und mit Öko-Energie fahren. Die Technik liefert Siemens

Das Neue

Die jahrzehntealte Technik der Oberleitungsbusse, die in vielen europäischen Städten im Nahverkehr eingesetzt wird, soll jetzt modernisiert den Lkw-Verkehr elektrifizieren. Diese Laster sind abgasfrei unterwegs und tanken Strom aus erneuerbaren Quellen. Teststrecken mit Hybridlastern, die mit Oberleitungsstrom, Batteriestrom oder Strom aus einem Dieselaggregat betrieben werden, gibt es bereits, aber demnächst sollen solche Laster auf einer normalen Autobahn zum Einsatz kommen. In Hessen werden dafür bis Ende nächsten Jahres an einer Strecke von fünf Kilometern an der A5 zwischen Frankfurt und Darmstadt entsprechende Oberleitungen gebaut. Danach beginnt ein mehrjähriger Feldversuch. Weitere Teststrecken gibt es in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Und so funktioniert es: Kommen die E-Laster an der Teststrecke vorbei, fahren sie ihre Stromabnehmer aus. So werden sie elektrisch bewegt und laden gleichzeitig ihre Batterien. Verlassen sie die Autobahn, werden die Stromabnehmer eingezogen.

Der Kontext

Der Verkehrssektor ist einer der größten Emittenten von klimaschädlichen Treibhausgasen. Einen großen Anteil daran hat der Lkw-Verkehr, der hierzulande mehr als 70 Prozent des gesamten Güterverkehrs ausmacht. In Deutschland, wirtschaftsstarkes Transitland in der Mitte Europas, wird künftig der Lasterverkehr selbst dann die Hauptrolle im Güterverkehr spielen, wenn massiv in den Ausbau des Schienengüterverkehrs investiert wird. Das liegt einerseits an der schieren Menge der zu transportierenden Güter, die weiter wächst; andererseits liegt es an den hohen Anforderungen an zeitlich und räumlich flexible Lieferungen, die unser derzeitiges Wirtschafts- und Konsummodell stellt. Ein Beispiel: heute den Rechner per Klick bestellt, morgen nach Hause geliefert – das geht nicht mit der Bahn. Die Laster einfach mit E-Batterien auszustatten – wie es bei Fahrrädern, Mofas und bestimmten Autos schon alltagstauglich ist -, stößt physikalisch an Grenzen, weil die zu bewegenden Lasten zu groß sind.

Die Reaktionen

„Elektrisch betriebene Oberleitungs-Lkw sind eine besonders effiziente Lösung auf dem Weg zu einem klimaneutralen Güterverkehr“, freut sich Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Die Technik sei jahrelang auf nichtöffentlichen Teststrecken erprobt worden; jetzt seien die Oberleitungs-Lkw reif für den Praxistest auf Straßen und Autobahnen. Das Ministerium fördert das Projekt in Hessen, bei dem örtliche Spediteure mitmachen, mit 14,6 Millionen Euro. Den Zuschlag erhielt Siemens.

Die Konsequenz

Bis E-Laster einen relevanten Anteil am Verkehr erbringen, werden viele Jahre vergehen und hohe Investitionen in Leitungen und Fahrzeuge ­nötig sein. Eine Zahl: Im vergangenen Jahr betrug die Fahrleistung aller Lkw in Deutschland rund 71 Milliarden Kilometer. Wenige Kilometer Autobahn, auf denen ein paar Laster elektrisch fahren, sind im Vergleich dazu weniger als der erste Schritt eines Marathonlaufes.

Richard Rother