Seelische Grausamkeit

Erzieherin hatte Kindern zur Strafe Pflaster auf den Mund geklebt. Freispruch vor dem Amtsgericht

Mit einem Freispruch hat gestern der Prozess gegen eine Hamburger Erzieherin geendet, die in einer Kita Kindern zur Bestrafung Pflaster auf den Mund geklebt hatte. Wegen Körperverletzung und Nötigung stand die 46-Jährige gestern in Wandsbek vor Gericht. Die Staatsanwältin hatte eine Geldstrafe gefordert.

Die Angeklagte Silvia H. gab zu, die Pflaster in fünf Fällen als Strafmaßnahme benutzt zu haben, wenn die Kinder gebissen oder gespuckt hätten. „Richtig war das für mich nicht, aber ich wusste keine andere Lösung“, so die ausgebildete Erzieherin. Mit zwei weiteren Tagesmüttern hatte die inzwischen Arbeitslose den Kinderhort „Grashüpfer“ in Rahlstedt geleitet. Allerdings habe sie keine handelsüblichen Heftpflaster oder gar Klebeband benutzt, sondern leicht ablösbare Pflaster, mit denen man Verbände zusammenhält. „Das klebt so gut wie gar nicht“, bestätigte der Amtsrichter, der das Pflaster auf seinem Handrücken testete.

Silvia H. gab an, alle Eltern seien mit dieser Erziehungsmethode einverstanden gewesen. Die betroffenen Mütter bestritten dies jedoch vor Gericht. „Hätte ich das gewusst, wäre keines meiner Kinder dort gewesen“, sagte eine Zeugin. Ihren fünfjährigen Sohn habe sie sofort aus dem Hort genommen und die Erzieherin angezeigt, nachdem er ihr von den Vorfällen berichtet hatte.

„Nicht alles, was man nicht tun darf, ist strafbar“, begründete der Richter seinen Freispruch. Körperliche Schmerzen hätten die Plaster nicht verursacht. Er könne so eine Verhaltensweise jedoch gerade von einer Erzieherin nicht billigen. „Seelische Grausamkeit ist das zweifellos.“ Ob die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen wird, steht noch nicht fest.

Weitere Kinder müssen jedenfalls keine Pflaster fürchten: Silvia H. musste ihren Hort verkaufen und arbeitet nicht mehr als Erzieherin. Kristina Allgöwer