Bernau wird zum Dauerbrenner

Trotz intensiver Löscharbeiten ist der Brand auf der Mülldeponie in Bernau erst zu zwei Fünfteln unter Kontrolle. Die Ursache des Großfeuers bleibt unklar. Im Zentrum der Kritik: Die Betreiberfirma Geag

„Sie sollten mal lieber die Luft in den Wolken untersuchen“, sagt Anwohner Luckner

VON FELIX LEE

Rolf Schöpfel fackelte nicht lange. Bereits am Samstagabend packten er und seine Frau die Koffer und zogen zu Verwandten nach Berlin. „Der Gestank war einfach nicht mehr auszuhalten“, sagt er.

So wie das Ehepaar Schöpfel haben zahlreiche BewohnerInnen des Bernauer Ortsteils Nibelungen wegen des Großbrands auf dem benachbarten Recyclinghof der Firma Geab ihre Häuser verlassen und sind zu Bekannten oder Verwandten nach Berlin gezogen. Wie viele es genau sind, konnte die Bernauer Stadtverwaltung nicht mitteilen.

Deren offizielle Devise lautet: Es besteht keine Gefährdung der Gesundheit. Alle gemessenen Werte lägen unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgrenzen (siehe Text unten). Die Anwohner sollten bloß ihre Fenster und Türen geschlossen halten.

Seit der Nacht zum Samstag kämpft ein Großaufgebot von etwa 250 Feuerwehrmännern gegen den Brand auf dem Müllberg. Etwa 15.000 Tonnen Plastikabfälle und Bauschutt stehen in Flammen. Weil die Abfälle meterhoch gelagert sind, sei das Feuer nur schwer unter Kontrolle zu bekommen, sagte der Sprecher des Landkreises Barnim, Christian Trill. Seit gestern unterstützt ein Hubschrauber einer Berliner Firma, der 30 bis 40 Tonnen Erde pro Stunde abwerfen kann, die Arbeit. So gelang es zwar bis zum gestrigen Nachmittag, zwei Fünftel des brennenden Materials mit Erde und Recyclingmaterial zu überziehen. Bis das Feuer vollständig gelöscht ist, können jedoch bis zu zwei Wochen vergehen.

Die AnwohnerInnen misstrauen den offiziellen Verlautbarungen der Behörden. Was die gemessen haben, sind Bodenwerte, sagte Dieter Luckner, dessen Haus 200 Meter vom Recyclinghof steht: „Sie sollten mal lieber die Luft in den Wolken untersuchen.“ Zur allgemeinen Skepsis beigetragen haben sicherlich auch die Warnungen an die AutofahrerInnen, dass die Straßen rund um das abgesperrte Gelände mit einer schmierigen Mischung aus Rußpartikeln und Regen belegt sind. Dies erhöhe die Rutschgefahr. Zudem musste in zwei nahe gelegenen Schulen gestern der Unterricht ausfallen. Ab heute sollen sie wieder offen sein.

Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen zur Feuerursache inzwischen aufgenommen, hat aber keinen konkreten Verdacht. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte eine Sprecherin.

Wie auch das Landesumweltamt in Potsdam bestätigt, hatte vor dem Brand die Betreiberfirma Geab die genehmigte Müllmenge um ein Vielfaches überschritten. Dadurch habe sich der Müll gestapelt, sagte Luckner. „Wir wissen von Zeugen, die von ‚heißer Entsorgung‘ sprechen.“ Konkret heißt das: Die Betreiber zünden selbst den Müll an, um „Abfahrtskosten zu sparen“, so Luckner. Anwohner beklagen zudem den Kakerlakenbefall, der von dem Abfall herrührt. Sie haben deshalb vor einigen Wochen eine Bürgerinitiative gegründet. Zu den Vorwürfen wollte sich die Geab gestern nicht äußern.

Dass Müllhalden brennen, ist indes keine Seltenheit. Aufgrund des hohen Methangehalts im Verrottungsprozess kann der Müll leicht Feuer fangen und sogar explodieren – was wiederum eine ständige Bedrohung für die Anwohner bedeutet. Umso unverständlicher, warum es überhaupt eine solche Anlage inmitten einer dicht besiedelten Wohngegend gibt. Jens-Uwe Schade vom Landesumweltamt schiebt die Schuld auf die Stadt Bernau, die Ende der 90er-Jahre die intensive Bebauung der angrenzenden Flächen genehmigt hatte. Der Recyclinghof sei zuerst da gewesen, sagte Schade.

Bei dem Feuer handelt es sich bereits um den zweiten Großbrand einer Müllhalde in Bernau innerhalb eines Jahres. Im Oktober 2004 gab es ein Feuer auf der Deponie am Albertshofer Weg, das erst nach fünf Tagen gelöscht werden konnte. Und im brandenburgischen Templin fing im April 2002 ein Müllberg Feuer – er brannte fast zwei Jahre lang.