Krawalle in Nordirland dauern an

18 Verletzte und 13 Festnahmen bei Zusammenstößen zwischen Polizei und protestantischen Extremisten in Belfast

DUBLIN taz ■ Die Krawalle in Nordirland hören nicht auf. Auch in der Nacht zu gestern kam es in der Hauptstadt Belfast und anderen Städten zu schweren Zusammenstößen zwischen protestantischen Extremisten und Sicherheitskräften. Achtzehn Polizisten wurden in der Nacht verletzt, insgesamt wurden am vergangenen Wochenende 50 Beamte ins Krankenhaus eingeliefert.

Die Randalierer setzten Brandbomben, selbst gebaute Sprengsätze und Maschinenpistolen ein. Eine Bank, Geschäfte sowie dutzende Autos und Busse gingen in Flammen auf, ein Geldautomat wurde mit einem Bagger aus der Wand gebrochen.

Die Polizei versuchte in Belfast, etwa 700 Menschen mit Wasserwerfern, Plastikgeschossen und scharfer Munition in Schach zu halten, verlor jedoch die Kontrolle über zahlreiche Viertel im vorwiegend protestantischen Osten Belfasts. Dreizehn Männer wurden festgenommen. Einer von ihnen soll wegen Mordversuchs an einem Polizisten angeklagt werden.

Der Anlass für die Ausschreitungen war nichtig. Ein kleiner Umzug des Oranier-Ordens, dem die meisten protestantischen Politiker und Geschäftsleute angehören, sollte im Westen Belfasts durch eine von Katholiken bewohnte Straße führen. Der Marsch, der an den Sieg des Protestanten Wilhelm von Oranien über seinen katholischen Widersacher Jakob II. vor mehr als 300 Jahren erinnern soll, war ursprünglich für Mitte Juni geplant, musste wegen der umstrittenen Streckenführung jedoch immer wieder verschoben werden. Vorige Woche entschied die britische Regierungskommission, die Parade umzuleiten.

Seitdem ist die Krisenprovinz praktisch lahm gelegt. Die Ulster Defence Association (UDA) und die Ulster Volunteer Force (UVF), zwei verbotene paramilitärische Organisationen, die laut ihrer Satzung loyal zur britischen Krone stehen, haben die Konfrontationen genutzt, um die Situation anzuheizen. Sie haben Straßensperren errichtet und patrouillieren schwer bewaffnet durch verschiedene protestantische Viertel. Die Polizei hatte am Sonntag versucht, bei Razzien die Rädelsführer der Straßenschlachten von Samstagnacht festzunehmen, worauf die Ausschreitungen erneut begannen.

Mitchel McLaughlin, der Vorsitzende von Sinn Féin, dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), erinnerte daran, dass protestantische Organisationen Krawalle angezettelt haben, seit die IRA Ende Juli dem bewaffneten Kampf abgeschworen habe. „Die protestantischen Politiker haben ein Machtvakuum hinterlassen, das von paramilitärischen Organisationen gefüllt wurde“, sagte McLaughlin. „Die Unionisten glauben, dass sie in dem Friedensprozess zu kurz gekommen sind. Dieses Thema muss angesprochen werden, wenn wir nur die unionistischen Parteien an den Runden Tisch bekommen könnten, um darüber zu reden.“ Diese Gespräche verweigert Pfarrer Ian Paisley von der Democratic Unionist Party, Nordirlands stärkster Partei, auch nach der Abrüstungserklärung der IRA. RALF SOTSCHECK

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