Kaija Kutter über die stigmatisierende Wirkung von Heimen
: Auf verlorenem Posten

Ist ein Kind erst mal im Heim, wollen alle beweisen, dass das richtig ist

Besser im Heim als bei leiblichen Eltern. So eine harte Entscheidung verortet man bei Eltern, die ihr Kind nicht versorgen, es schlagen oder misshandeln. Nun reichen, wie man von mehreren Fällen hört, offenbar auch weiche, unbestimmte Diagnosen. Wenn Mutter und Kind eine zu enge Nähe haben, zum Beispiel. Kindeswohlgefährdung ist ein weiter, unbestimmter Begriff.

Ist ein Kind erst mal im Heim, haben alle Beteiligten offenbar ein Interesse daran, zu beweisen, dass das richtig ist. Der Zug ist abgefahren. Eltern, denen das Sorgerecht genommen wurde – was seit einer Novelle von 2008 leichter geht –, kämpfen oft auf verlorenem Posten.

Da muss doch was „dran“ sein, wenn das Jugendamt so etwas in die Wege leitet, denken viele, die so etwas noch nicht erlebt haben. So wird eine Elterngruppe geschaffen, die weniger Rechte hat. Die Ämter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, sind auch keine Antwort schuldig und sind somit raus aus dem öffentlichen Diskurs. Der beschränkt sich meist auf den Kinderschutz-Diskurs, auf die ganz schlimmen Fälle, in denen Jugendämter zu spät eingreifen.

Doch die Kehrseite von eingriffsstarker Jugendhilfe ist die auswärtige Unterbringung. Auch junge Kinder, die aus Familien genommen werden, leben nicht in paradiesischen Zuständen. Sie sehnen sich nach ihren Eltern und Freunden, empfinden das Weggeschicktwerden meist als Strafe und werden durch Trennung geschädigt. Kinder, die man heute noch schützen will, werden morgen schon zu störenden Jugendlichen, die man wegschiebt. Sind sie groß, fehlen ihnen die Wurzeln. Dabei hat Hamburg in den 1980er-Jahren schon mal ganz auf auswärtige Heime verzichtet, weil es politischer Wille war.

Wer keine Rechte hat, sieht im Heimsystem schnell eine Verschwörung. Es sind zumindest Institutionen, die auch Eigeninteressen haben. Hamburg muss also umsteuern, die auswärtige Heimbelegung massiv drosseln und dafür sorgen, dass Hilfen in der Stadt existieren, beispielsweise Gästewohnungen mit Unterstützung für kurzzeitig überforderte Familien. Inklusion kann es auch in der Familienhilfe geben. Zumindest ging das vor 30 Jahren.

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