berliner szenen
: Noch eine Nachricht schreiben

Sonntagabend, halb neun. Wir hatten das Kind mehrfach daran erinnert, sich vorm Schlafengehen noch zu waschen. Endlich hört man Duschgeräusche, dann lange nichts. Ich weiß, was das bedeutet. Genau: Das Kind sitzt auf dem Wannenrand und tippt auf seinem Handy. Das sollte um diese Zeit schon am Ladekabel in der Küche hängen. Er schnaubt wütend: „Ich muss noch eine Nachricht schreiben!“ – „Okay“, sage ich und bleibe gleich danebenstehen. Er tippt kurz, schnaubt noch mal und reicht mir das Gerät.

„Und jetzt bitte ab ins Bett“, sage ich, als ich das Handy in die Küche bringe. Kurz da­rauf treffe ich ihn im Wohnzimmer mit dem Handy seines Vaters an. Ich nehme es ihm ab und geleite ihn in sein Zimmer. Es ist neun Uhr.

Auf dem Schreibtisch Chaos. „Du solltest doch vorm Duschen deine Schulsachen packen, oder?“ – „Ja, mach ich morgen.“ Ich ordne sofortiges Packen an und bleibe neben ihm stehen. Schon vom Bett aus sagt er beiläufig: „Französisch-Hausaufgaben schreib ich in der Schule morgen ab.“ Jetzt werde ich sauer. Auch die Hausaufgaben sollten längst fertig sein. Ich nötige ihn, wieder aufzustehen und den kleinen Text über seinen Tagesablauf zu ­schreiben – eine Übung für die anstehende Klassenarbeit. Missgelaunt schmiert das Kind ein Blatt voll. Es geht auf halb zehn. Wir sind beide genervt. Vorlesen fällt aus. Ich sage „Gute Nacht“.

Aus dem Kinderzimmer dröhnt jetzt ein TKKG-Hörspiel. Als er um Viertel nach zehn das nächste anmacht, schalte ich den CD-Player aus. Jetzt ist das Kind richtig wütend. „Mann, ey, es hätte so ein gemütlicher Abend werden können! Ich hätte alles ganz in Ruhe gemacht, ich hab doch Zeit. Weißt du, was du bist? Eine Helikoptermutter XL!“ Um kurz nach elf lege ich mich auch hin. Von fern höre ich Musik. Es ist die Titelmelodie von TKKG.

Gaby Coldewey