Alte Männer auf Valium

Wer Entschleunigung ohne Weihestimmung sucht, findet bei Bohren und der Club of Gore Erfüllung. Am Mittwoch bedröhnten die Meister der Einschläferung das Columbia Theater

Von Thomas Mauch

Behutsam einatmen und wieder ausatmen. Auch das, natürlich, ganz langsam. So geht Bohren und der Club of Gore. Gar nichts schnell. Alles entschleunigt und zur Ruhe gebracht.

Dabei spielt diese Band aus dem Ruhrgebiet im Wesentlichen nichts anderes als den immer gleichen Easy-Listening-Barjazz. Nur eben viel langsamer. Als Entspannungsmusik für ein Slow-Food-Dinner taugt das schon deswegen kaum, weil man dabei durchaus vor Aufregung auf seinem Sitz herumrutschen kann, ob da jetzt überhaupt noch was passiert bei dieser Musik mit den zäh wie Pech tropfenden Tönen. Langsam lässt man die quellen bei der Band, bis endlich der nächste Ton tropft in den Stücken.

So aber, mit den zähen Tönen, klebt man doch im Hören langsam fest. Eigentlich sollte man die Alben der Band als Antistress-Therapeutikum verschreiben. Auf dem Beipackzettel müsste jedoch vielleicht als Warnhinweis notiert sein, dass manche Kritiker beim Hören der Musik von Bohren und der Club of Gore bereits in trostlose und schaurige Stimmungen wie bei einem David-Lynch- oder John-Carpenter-Film verfallen sind.

Bei dem Konzert der Band am Mittwoch im Columbia Theater war davon allerdings nichts zu spüren. Die drei Musiker, wie es sich für eine Barjazzkapelle gehört, im Anzug und mit Krawatte. Sehen konnte man das aber fast nicht im Bühnendunkel mit den sehr sparsam gesetzten Lichtpunkten. Auch visuell also: eine Entschleunigung. Dabei ging die Band für Bohren-Verhältnisse sogar einigermaßen flott im Tempo in den Abend mit ihrer melancholischen Tresenmusik und den ganz schlicht gehaltenen Motiven. Wendungen, die immer wiederkehrten in den einzelnen Stücken. So gleich und nahe waren die sich, wie sich halt auch beim Blick vom Fenster hinaus aufs Straßendunkel bestenfalls Nuancen ändern, egal, ob man nun in einer Dienstag- oder Mittwochnacht aus dem Fenster schaut.

Mähliche Pulssenkung

Dazu spielten die drei Musiker den instrumentalen Soundtrack. Etwas Keyboard, ein paar Töne vom Bass, ein Saxofon. Manchmal Vibrafon. Dazu noch ein dezenter Hauch Schlagzeug. Mählich senkten Bohren und der Club of Gore auch den Puls. Wurden immer besser, als sie noch ein wenig langsamer und noch weniger Noten spielten. Am besten war es, wenn die Musik fast weggedämmert war.

So eine Musik kann was unangenehm Weihevolles haben. Dass hier aber nichts ins Esoterische entschwinden durfte, dafür sorgten Bohren und der Club of Gore schon selbst. Mit einer absurd schräg zur Musik stehenden Moderation gaben sie auch die launige Kneipenband. Dass sie jetzt ein Stück spielen werden, verkündete so der Saxofonist, „das wieder der schmutzigen Fantasie alter Männer entsprungen sein könnte. Es heißt: ‚Komm zurück‘.“

Mit Schmutz war da natürlich nichts. Es war nur wieder so ruhig atmendes Instrumentalstück von diesen mittlerweile tatsächlich bereits älteren Männern, die sogar mal, Ende der Achtziger, mit Metal und Hardcore eine eher hinterntretende Musik gespielt haben, bevor sie die Macht der Langsamkeit für sich entdeckten.

Gern gab man sich dieser Macht hin im Columbia Theater. Von der Musik zur Ruhe massiert.