Andere Länder, raue Sitten

Wie geht man mit obdachlosen Menschen in anderen Großstädten um? taz-Auslands-korrespondenten berichten aus Moskau und Warschau, Tel Aviv und Paris sowie Melbourne

Warschau: Ein Obdachloser findet Schutz vor Winterkälte in den Schächten des unterirdischen Heizungssystems der polnischen Hauptstadt Foto: Janek Skarzynski/afp

Paris, im November letzten Jahres: Eine private Initiative verteilt warme Suppe an Obdachlose Foto: Philippe Lopez/afp

Die Stadt will sie weghaben

Melbourne: zum siebten Mal zur „lebenswertesten Stadt der Welt“ gekürt, trüben Obdachlose das Bild

Foto: privat

Urs Wälterlin schreibt seit 1999 für die taz aus Australien/Ozeanien und Südostasien mit Sitz in Canberra.

Aus Melbourne Urs Wälterlin

Matte ist obdachlos und dauernd müde, er lebt in Melbourne. Matte verbringt sein Leben auf der Straße. Irgendwo, in einem verlassenen Hinterhof, zwischen weggeworfenen Konservendosen und einer alten Matratze, da hat Matte eine Ecke, in der er seine wenigen Habseligkeiten lagert.

Doch damit soll jetzt Schluss sein. Laut einer vom Stadtrat knapp angenommenen Änderung des Gemeindegesetzes soll es künftig verboten sein, auf öffentlichem Boden zu „campieren“ – wie die Behörden es nennen. Nach Protesten konnte sich das Volk zum Entscheid doch noch äußern. 2.500 Stellungsnahmen gingen ein. Bis diese geprüft sind, haben Menschen wie Matte noch eine Gnadenfrist.

Bisher galt in Melbourne, dass nur das Übernachten in Zelten, Wohnwagen und ähnlichem illegal ist. Doch nun soll sich jeder obdachlose Mensch straffällig machen, der in einem Park schläft. Habseligkeiten, die von Obdachlosen liegen gelassen werden, während ihre Besitzer durch die Stadt streifen – sie können von der Polizei und den Stadtbehörden eingesammelt und entsorgt werden. Sogar die Vereinten Nationen haben die Sorge geäußert, das neue Gesetz könnte „Obdachlose kriminalisieren“.

Und von denen gibt es immer mehr in Melbourne. Um rund 80 Prozent ist die Zahl der Wohnungslosen gestiegen, in nur zwei Jahren. Das hat eine Stichprobe der Stadtverwaltung ergeben. Danach wurden in der Innenstadt 247 Menschen gezählt, die auf der Straße schliefen, unter Brücken, in Parks oder in dafür nicht geeigneten öffentlichen Anlagen. Vor zwei Jahren waren es 142 Menschen gewesen.

Die Betroffenen sind zwischen 26 und 60 Jahre alt. Einige sind drogensüchtig, andere psychisch krank oder vor häuslicher Gewalt geflohen. Doch eine Gruppe wird immer größer. Jene, die sich ein Dach über dem Kopf schlicht nicht mehr leisten können. Unter ihnen Berufstätige, ganze Familien. Die Immobilienpreise und Mieten in australischen Städten gehören heute zu den teuersten der Welt. Spekulation hat viel mit der Möglichkeit zu tun, Verluste aus einem Immobilienkauf zum Teil von den Steuern abziehen zu können. Gerade in Melbourne stehen deshalb viele Wohnungen leer.

Jenny Smith vom Konzil für die Obdachlosen sagt, die neuen Verordnungen müssten abgelehnt werden. „Stattdessen sollten die Stadträte dem Ruf vieler Experten nach mehr Investitionen in öffentliche und gemeinnützige Immobilienprojekte folgen.“

Für Matte bleibt der Gedanke an eine Wohnung ein Traum. Sein größtes Problem sei, Ruhe zu finden, erzählt er. In einer Stadt voller Verkehr, Touristen – und Polizisten, die ein scharfes Auge auf Leute wie ihn hätten. So verbringt Matte den größten Teil seines Tages, und der Nacht, mit der Suche nach etwas Ruhe. Die findet er gelegentlich für ein paar Stunden im Vorortszug. Bis zur Endstation.

Ein Teufelskreis

In der Zwölf-Millionen-Stadt gibt es für die 12.000 Obdachlosen acht staatliche Nachtlager mit gerade mal 1.500 Plätzen. Hilfe bekommt in Moskau aber nur, wer Ausweispapiere hat

Foto: Wolfgang Borrs

Klaus-Helge Donath lebt in Moskau und berichtet seit 1990 aus Russland.

Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Schenia Jakut kam die Idee beim Aufwärmen auf einem Moskauer Bahnhof. In einem Beitrag über einen Blogger sah er, wie dieser mit Werbung Geld verdiente. Schenia war obdachlos. Aus Sibirien kam er nach Moskau, um besser bezahlte Arbeit zu finden. Erfolglose Arbeitssuche bedeutet für viele Menschen in Russland jedoch der Einstieg in die Obdachlosigkeit. „Bomsch“ heißt der Obdachlose im Russischen. Dahinter verbirgt sich die amtliche Abkürzung „ohne einen festen Wohnort“.

Schenia fand einen Mitstreiter, der seine Lebensweisheiten von der Straße filmte und ins Internet stellte. Wo ist der beste Waschraum der Stadt, welcher kostenlose Shuttlebus fährt wohin? Vorgetragen mit Witz und Lebensweisheit. Schenia war auf dem Weg zum YouTube-Star – mit Tausenden Abonnenten nach den ersten Videos. Doch Obdachlose in Russland, die nicht auf staatliche Hilfe zurückgreifen können, überleben im Schnitt nur drei bis fünf Jahre. Schenia brachte es nicht einmal auf ein Jahr. Er starb an Lungenentzündung.

Staatliche Unterstützung erhalten nur Obdachlose, die einen Pass besitzen und einen Stempel der Meldebehörde vorweisen können – die „propiska“. Ohne diesen Stempel bleiben auch staatliche Nachtlager einem „bomsch“ verschlossen. In Moskau gibt es acht Unterkünfte mit rund 1.500 Plätzen.

Offizielle Zahlen liegen nicht vor. Nach Schätzungen privater Hilfsorganisationen dürften jedoch mindestens 12.000 Obdachlose in Moskau leben. Davon stammen 86 Prozent aus anderen Teilen Russlands oder aus Nachbarländern wie Weißrussland oder der Ukraine. Auch Arbeitsimmigranten aus Zentralasien gehören dazu. Rund 18 Prozent der Obdachlosen sind Ausländer.

Städtische Behörden könnten maximal 12 Prozent der Notleidenden ein Dach für eine Nacht zur Verfügung stellen. Der weitaus größte Teil aber lehnt die Nähe zu staatlichen Stellen ab. Obdachlose fürchten die Ordnungshüter, weil sich meist ein Anlass findet, sie einer Regelverletzung zu überführen.

Wer weder „propiska“ noch einen Pass besitzt, verliert überdies den Anspruch auf medizinische Hilfe. Auch Rentenansprüche können nicht mehr geltend gemacht werden. Es ist ein Teufelskreis. Nach offiziellen Angaben sind rund 35 Prozent davon betroffen, während zwei Drittel der Trebegänger nach juristischen Kriterien noch im Besitz einer Wohnung und polizeilich gemeldet sind. Rechtshilfe erhalten die Gestrauchelten vom Staat nicht. Lediglich private Initiativen kümmern sich darum, Pässe und verlorene Dokumente für sie zu beantragen.

Dem Obdachlosen begegnet die russische Gesellschaft mit wenig Sympathie. Das verwahrloste Äußere schreckt ab. Moskau verfügt nur über drei Desinfektionsanstalten und keine kostenlosen Duschgelegenheiten.

Dennoch dürfte die Haltung des Exbürgermeisters von Tschita – einer Stadt in Südostsibirien – nicht mehr von allen Bürgern geteilt werden: Das Mitglied der Kremlpartei bedauerte, „dass wir keine Lizenz zum Abschuss der ,bomsch‘ haben. Denn andere gesetzliche Möglichkeiten, mit ihnen klarzukommen, haben wir nicht.“

Fast jedes Jahr erfrieren in Polen rund 200 Menschen

Schlimm ist in Warschau besonders der kalte Winter. Es gibt Obdachlosenasyle, aber oft muss ein Heizkorb in einer Bushaltestelle genügen – oft mit fatalen Folgen

Foto: A. Chestowski/Forum

Gabriele Lesser wohnt in Warschau und schreibt seit 1995 aus Polen für die taz.

Aus Warschau Gabriele Lesser

„Die ersten Frostnächte sind besonders schlimm“, sagt Olek und reibt sich die Hände. Eine warme Fellmütze hat er schon in einer der Kleiderkammern in Warschau gefunden. Auch einen dicken Schal und mehrere Pullover, die er übereinander ziehen kann. Noch schläft er über dem Heizungsschacht eines Einkaufszentrums, aber wenn es minus zehn Grad oder kälter wird, wie oft in Polen, muss er doch in eins der Obdachlosenasyle ausweichen. „Sie mögen mich dort nicht besonders“, grinst er mit den letzten vier Zähnen und zieht einen Flachmann aus der Manteltasche. „Mit Alkohol lassen sie einen nicht rein, aber ohne Alkohol erfriert man draußen sofort.“

Fast jedes Jahr erfrieren in Polen um die 200 Menschen. Die meisten sind obdachlose Männer zwischen 40 und 50 Jahren. Oft schlafen sie an einer Bushaltestelle ein, an der es einen Eisenkorb mit rot glühenden Briketts zum Aufwärmen für alle gibt. Frauen hingegen sterben oft an Unterkühlung in der eigenen Wohnung. Wenn die Rente nicht mehr für die Miete reicht, sondern nur noch für Medikamente und ein paar Lebensmittel, stellen die Vermieter irgendwann Wasser, Strom und Heizung ab. Dann kommt es vor, dass es drinnen kälter ist als draußen.

Während das Ministerium für Familie, Arbeit und Sozialpolitik für 2017 von rund 35.000 Obdachlosen in ganz Polen ausgehen, nennen NGOs mit knapp 500.000 eine wesentlich höhere Zahl. Für den enormen Unterschied sind die verschiedenen Kriterien verantwortlich, die den Zählungen zugrunde liegen.

„Wir vergeben Sterne für die Obdachlosenasyle“, grinst Olek, der früher bei der Bahn arbeitete. „Aber ein Fünf-Sterne-Asyl mit kleiner Bar und ein bisschen Musik zum Tanzen gibt es in Warschau leider nicht“, bedauert er. Als Oleks Probleme mit dem Alkohol zunahmen, verlor er erst seinen Job, dann trennte sich seine Frau von ihm, und auch der Rest der Familie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. „Das größte Asyl ist zugleich das schlechteste.“ Gestenreich deutet er an, wie es dort aussieht: drei Betten übereinander, alles eng und überfüllt mit Menschen. „Man kann dort duschen, aber es stinkt dort erbärmlich.“ Olek hält sich die Nase zu. „Da bleibt man lieber draußen, aber mit Alkohol nehmen sie einen ja sowieso nicht.“

Vor etlichen Jahren hatte Krakau die Idee, eine kleine Siedlung mit Blockhäusern für Obdachlose zu bauen, jeweils für drei bis vier Personen, mit Bad und Toilette, einem gemeinsamen Speisesaal, mit Kleiderkammer und Waschmaschinen. Sozialarbeiter, Ärzte und Arbeitsvermittler sollten dabei helfen, dem einen oder anderen eine Rückkehr ins normale Leben zu ermöglichen. Doch als sich andeutete, dass sich ganze Heerscharen von Obdachlosen auf den Weg nach Krakau machen, bekamen es die Krakauer mit der Angst zu tun. Sie wollten nicht zur Hauptstadt der Obdachlosen Polens werden. Und so wurde das Projekt nie realisiert. „Schade“, sagt Olek. „Ich wäre auch nach Krakau gegangen.“

Von Clochards spricht
längst niemand mehr

Die Zahl der jungen Obdachlosen in Paris steigt und steigt. Die Behörden haben sich offenbar damit abgefunden, dass nicht mehr allen geholfen werden kann

Foto: Wolfgang Borrs

Rudolf Balmer ist seit 30 Jahren als Journalist in Paris tätig, seit 2009 ist er Korrespondent der taz.

Aus Paris Rudolf Balmer

Hélène musste ihr Zimmer in der Résidence Universitaire (Studentenwohnheim) in Nanterre bei Paris von einem Tag auf den anderen räumen. Sie hatte dort trotz Mahnungen ihren Freund, einen Drogenabhängigen und Dealer, beherbergt. Ihre getrennt lebenden Eltern wohnen in einer anderen Stadt und wollen angeblich nichts mehr von ihr wissen. Jetzt steht sie auf der Straße und weiß nicht wohin. Vorerst verbringt sie die Nächte in einem Autowrack unweit der Universität.

Das alles sagt Hélène der Psychologin des Präventiv-Medizinischen Dienstes. Sie ist ihre „letzte Hoffnung“ bevor die Kälte droht. Die aber hat für dieses existenzielle Problem auch keine Lösung und reicht sie an die Sozialarbeiterin weiter. Wenn auch die nichts für Hélène tun kann, wird sie zu den jungen Ausgestiegenen und Studierenden zählen, die das ohnehin stark wachsende Heer der obdachlosen Jungen vergrößern.

Die Studentenpsychologin, die uns dieses Beispiel erzählt, kann bloß bestätigen, dass ähnliche Situationen immer häufiger vorkämen. Für die Einzelschicksale der neue Generation von Obdachlosen haben die Sozialdienste von Paris und deren Vororte nur punktuell Unterkunftsangebote. Die Behörden haben sich offenbar damit abgefunden, dass bei einer steigenden Zahl von Notsituationen nicht mehr allen geholfen werden könne.

Früher gehörten die „Clochards“ zum (romantisch verklärten) Pariser Stadtbild. Heute hat sich bestenfalls die Bezeichnung geändert: „SDF“ steht für „sans domicile fixe“, also „ohne festen Wohnsitz“.

Wie viele Menschen leben in Paris auf der Straße? Es gibt nur Schätzungen. Die nach dem Obdachlosenpriester benannte Stiftung Abbé Pierre spricht von rund drei Millionen, die in ganz Frankreich draußen in Zelten, behelfsmäßigen Hütten und gelegentlich in Heimen übernachten, in Paris sind es wohl rund 200.000. Wer von ihnen einen der nur allzu raren Plätze in Unterkünften der Stadt ergattern will, kann die Notrufnummer 115 kontaktieren und bekommt nach längerem Warten und mit Glück eine positive Antwort.

Nachts und vor allem wenn es kalt wird, sind auch Ambulanzen der „Samu social“ unterwegs, um vor Ort Hilfe anzubieten: Falls die Teams nicht zu Übernachtungen einladen können, verteilen sie Decken und warme Suppe. Auch Mitglieder und Freiwillige von „Médecins du Monde“ patrouillieren nachts durch Paris, um soziale und medizinische Hilfe oder Beratung anzubieten.

Sowohl die kommunalen Behörden wie die humanitären Organisationen sind aber erst recht überfordert, wenn wie seit einigen Jahren unter Metrobrücken oder auf ganzen Alleen im Norden der Stadt Camps von hier gestrandeten Flüchtlingen entstehen. Diese werden dann regelmäßig von der Polizei geräumt – und die Menschen angeblich in Unterkünfte gebracht.

Hauptstadt der Obdachlosen

Tel Aviv: Wenn „Homelessim“ einige Bedingungen erfüllen, bekommen sie Unterstützung vom Staat

Foto: privat

Susanne Knaul arbeitet seit 1989 im Heiligen Land für die taz, sie lebt in Tel Aviv.

Aus Tel Aviv Susanne Knaul

Tel Aviv Süd gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Obdachlosen in Israel. „Homelessim“ heißen sie im Volksmund, kombiniert aus dem englischen Begriff und der hebräischen Pluralendung. „Bewohner der Straße“ nennen sie die Behörden.

Der 50-jährige Dima (seinen Nachnamen will er nicht nennen) ist einer von rund 2.000 Israelis, die der Definition der „Bewohner der Straße“ entsprechen, und die den Behörden bekannt sind. Eine „instabile Wohnsituation“ über lange Zeitperioden gehört dazu, „körperliche Vernachlässigung“ und „Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen, wie Alkohol oder Drogen“, wie es in einem Bericht des israelischen Ministerium für Soziales zum Thema „Politik zur Behandlung der Bewohner der Straße“ festhält.

Die Dunkelziffer derer, die in Parks, in leer stehenden Häusern oder auf Bauplätzen schlafen, dürfte deutlich höher liegen.

Einen kleinen Rucksack hält Dima eng neben sich. Der hagere Mann ist müde. „Ich hab vorhin ein bisschen Wodka getrunken“, gibt er zu und reibt sich die Schulter. „Das hilft gegen die Schmerzen.“ Obwohl die Sonne lange untergegangen ist, trägt er einen Hut. „Ich schreibe Gedichte“, sagt er in gebrochenem Hebräisch und nimmt sich eine Zigarette. Seit zwei Tagen wohnt er in einem Hostel – damit hat er die erste Hürde zur Rückintegration in die Gesellschaft genommen. „Vielleicht drei Monate“ will er hier bleiben und dann „eine eigene Wohnung mieten“.

Hostel für ein Jahr

Bis zu einem Jahr gesteht der Staat den integrationswilligen Obdachlosen in den Hostels zu, vorausgesetzt sie zeigen Bereitschaft zum Entzug. Dima hat nicht gezögert, als er mit Hilfe seines Arbeitsgebers, ein Unternehmer für Häuserrenovierungen, das Angebot bekam, in das Hostel zu ziehen. Im erlernten Beruf als Industriedesigner könne er nicht arbeiten. Obwohl er schon Anfang der 90er-Jahre aus Russland nach Israel kam, spricht er die Sprache seiner neuen Heimat nur sehr fehlerhaft.

Bevor er ins Hostel kam, wohnte er zweieinhalb Jahre am Hafen, in einem leer stehenden Haus, aber da sei es ihm zu gefährlich geworden. Was sich dort für „Persona“ herumtreibt, schüttelt er den Kopf. „Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Drogensüchtige, psychosomatisch Erkrankte, Mystiker, aber auch ein paar Normale“, allesamt Immigranten aus den frühen Sowjetstaaten. Erst infolge der Einwanderungswelle der frühen 90er-Jahre erkannte der Staat das Phänomen der Obdachlosen offiziell an.

Dima muss jeden Monat umgerechnet 200 Euro für die Unterkunft im Hostel bezahlen, in dem bis zu 25 Männer wohnen können. Der Staat hilft den Obdachlosen, die Bereitschaft zur gesellschaftlichen Integration zeigen, allen voran zum Entzug und zur regelmäßig Arbeit, mit umgerechnet 250 Euro monatlich – über den Zeitraum von bis zu vier Jahren. „Sobald ich eine eigene Wohnung habe, hole ich meine Mutter auch nach Israel“, sagt Dima. Die alte Dame sei ganz allein in Russland zurückgeblieben und nicht mehr ganz gesund.

Die vom Sozialministerium für die Obdachlosen bereitgehaltene Gesamtsumme betrug in den vergangenen Jahren zwischen 12 und 15 Millionen Schekel (400.000 bzw. 480.000 Euro). Eine 2014 staatlich in Auftrag gegebene Untersuchung von Dr. Joav Santo und Mosche Berger hält fest, dass die genaue Zahl der Obdachlosen schwer zu benennen sei, weil sich die Straßenbewohner den Behörden entziehen. Die Untersuchung zeigt, dass 86 Prozent der Obdachlosen Männer im Alter von 19 bis 77 Jahre sind, wobei die meisten kaum 50 Jahre alt würden. Zwei Drittel seien alkohol- oder drogensüchtig, und rund die Hälfte habe eine Haftstrafe hinter sich. Viele litten an seelischen Krankheiten.

Jugendliche unter 18 Jahren gehören offiziell nicht zu den Obdachlosen sondern gelten als „hilfsbedürftige Minderjährige“, für die eine andere Abteilung im Sozialministerium zuständig ist.