Advent, Advent, ein jeder rennt

Für den Einzelhandel ist das Weihnachtsgeschäft eine feste Größe. In Branchen wie dem Buchhandel oder in Spielzeuggeschäften verdoppelt sich der Umsatz. An Heiligabend wird der Konsum in diesem Jahr allerdings ausgebremst

An Heiligabend und am Silvestertag muss man damit rechnen, dass das Geschäft der Wahl seine Türen geschlossen hält. Beide Feiertage fallen auf einen Sonntag – was die Lage unübersichtlich macht

Von Hannes Koch

Die Uhr tickt. Auf der Internetseite des Handelsverbands Deutschland, der Organisation der Einzelhändler, zählt eine Ziffernanzeige die Zeit runter, die bis Heiligabend noch bleibt. 28 Tage werden es an diesem Samstag sein. „Haben Sie schon Geschenke? Beeilung! Bald ist es wieder so weit“, sagt das elektronische Chronometer.

Die wenigsten Bundesbürger dürfte diese Botschaft erreichen. Wer außer Profis besucht schon die Internetseite des Handelsverbands? Am Weihnachtsgeschäft kommt allerdings kaum jemand vorbei. Wer Konsum nicht komplett verweigert, findet sich früher oder später im Getümmel wieder.

Für die Wirtschaft ist das intensive Shoppen zum Jahresende eine feste Größe. Wobei sich das relative Volumen der Erwerbsorgie während der vergangenen Jahre nicht wesentlich änderte: Knapp 20 Prozent des gesamten Jahresumsatzes im Einzelhandel verbuchen die Geschäfte in der Zeit von November und Dezember. Für 2017 rechnet der Handelsverband mit einem Umsatz von gut 94 Milliarden Euro. Im ganzen Jahr verkaufen die Geschäfte Waren im Wert von rund 500 Milliarden. Zum Vergleich: Die komplette Wirtschaftsleistung Deutschlands liegt bei ungefähr 3.200 Milliarden Euro.

Die meisten Branchen können damit rechnen, vor Weihnachten mehr Kunden zu finden. Einige Geschäftsfelder profitieren aber besonders. Dazu gehören Läden für Bücher, Spielzeug, Schmuck und Kosmetik. Dort beträgt der Jahresendumsatz mitunter das Doppelte des Normalen.

Dabei bestätigen sich auch in der Weihnachtszeit einige Quasigesetze des modernen Kapitalismus. Eines davon lautet: Der Onlineverkauf wächst schneller als der Absatz des stationären Handels. Während die Einnahmen der Branche in diesem Weihnachtsgeschäft der Prognose zufolge um 3 Prozent zulegen werden, geht es beim Internetverkauf voraussichtlich um 10 Prozent hoch.

Das Netz nimmt den tradi­tio­nellen Geschäften also Marktanteile ab – ein Blick aus dem Fenster auf die an- und abfahrenden Transporter der Paketdienste, die die online bestellten Artikel ausliefern, bestätigt diese Zahlen.

Große Händler wachsen zudem überwiegend schneller als kleine. Den Konzernen und Ketten gelingt es, einen größeren Teil der Gewinne in ihre Kassen zu lenken. Zentral funktioniert dabei besser als dezentral: Die Umsatzentwickung in Einkaufsmalls, die Hunderte Geschäfte umfassen, ist oft besser als bei Läden, die vereinzelt liegen. Besonders Geschäfte in kleineren Orten und auf dem Land haben es schwer. Nach Schätzungen des Handelsverbands werden von 450.000 Läden, die es 2015 insgesamt in der Bundesrepublik gab, bis 2020 wohl 50.000 verschwinden.

Ein Vorteil der Unternehmen mit großem Umsatz: Sie haben mehr Kraft für Rabattaktionen. Wer Hunderttausende identische Produkte bei den Herstellern ordert, kann hohe Preisnachlässe durchsetzen, die teilweise an die Kundschaft weitergereicht werden. Je kleiner der Händler, desto schwerer fällt diese Strategie. Gerade zum Jahresende werden neue Tage für Sonderangebote ausgerufen, die dann etwa „Black Friday“ oder „Cyber Monday“ heißen.

Dabei hält der diesjährige Weihnachtskaufrausch eine Besonderheit bereit – eine Lastminute-Bremse gewissermaßen. Denn am Heiligen Abend und am Silvestertag muss man damit rechnen, dass das Geschäft der Wahl seine Türen geschlossen hält. Beide Feiertage fallen 2017 auf einen Sonntag, was die Lage unübersichtlich macht.

Normalerweise sind die Geschäfte am 24. und 31. Dezember bis zum Nachmittag geöffnet – letzte Gelegenheit, bis dahin vergessene Geschenke zu besorgen oder den Braten abzuholen. Nicht so 2017: Weil die Ladenöffnungszeiten unter anderem an Sonn- und Feiertagen in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen, bleiben die Läden in Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 24. Dezember grundsätzlich zu.

In den übrigen Ländern gelten eingeschränkte Öffnungszeiten bis längstens 14 Uhr. Aber auch dort wird man möglicherweise nicht eingelassen. Die Gewerkschaft Verdi hat im Sinne der Mitarbeitenden zu einem Einkaufsverzicht aufgerufen. Einige Ketten und Discounter haben bereits entschieden, am 24. Dezember nicht zu öffnen – auch wenn sie es eigentlich dürften.