HAMBURGER SZENE VON KRISTIANA LUDWIG
: Treiben lassen

Wenn es nicht weh tut, dann sind es die Worte. Wie die der Rückenschwimmerin, die gegen meine Beine rudert. Ich hebe meinen Kopf aus dem Wasser und sie sagt spitz: „Ich dachte, du schwimmst schneller.“ Oft aber ist es schmerzhaft. Der dröhnende Schlag auf den Hinterkopf etwa, wenn die Arme der Delphinschwimmer auf mich herab krachen. Da muss ich durch. Im Frühschwimmbecken ist kein Platz für Lappen. Hier treffen Leistungsträger auf Ruheständler. Doch während die Alten in der Badeanstalt ihren ersten Klönschnack halten, kennen die Jungen keine Pause. Nur Wut.

Ich schwimme in der Mitte, auf jener dünnen Spur zwischen tänzelnden Rentnern und rasenden Sportlern. Dort bin ich sicher, eigentlich. Außer sie ist da: Mit schwarzer Badekappe und breitem Kinn stößt sie sich die Bahn entlang. Meine Bahn. Es dauert nicht lange und sie rammt ihren Fuß in meine Hüfte, stößt sich ab und überholt. Auf dem Rückweg lässt sie ihren Arm auf meinen Rücken donnern. Sie weicht nicht aus. Ich auch nicht. In entenartiger Haltung, um sie rechtzeitig zu erspähen, setze ich meinen Weg fort. In meinem Frühschwimmtempo.

Später, in der Kabine, ist es still. Wir blicken zu Boden, ein Fön summt. „Tschüß“, sagt sie. „Tschüß“, sage ich. Bis morgen, im Frühschwimmbecken.