Kein Anlass zur Sorglosigkeit

Ein unbedachter Umgang mit Aids führt zu steigenden Infektionszahlen. Die Aids-Hilfe Nordrhein-Westfalen setzt auf die neue Landesregierung um weiter gegen „Präventionsmüdigkeit“ vorzugehen

DÜSSELDORF taz ■ Die Zahl der Neuinfektionen mit dem HIV-Virus sind in NRW leicht angestiegen. „Präventionsmüdigkeit“ und ein sorgloserer Umgang mit dem Aids-Risiko seien die Ursachen, berichtete gestern die Aids-Hilfe in Düsseldorf. Auf lange Sicht ist Landesgeschäftsführer Dirk Meyer mit der Arbeit der Aids-Hilfe zufrieden: Seit Jahren konnte die Neu-Infektionsrate auf einem gleichbleibenden niedrigen Niveau gehalten werden.

Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts in Berlin infizierten sich im vergangenen Jahr erneut rund 400 Personen in NRW mit dem HIV-Erreger, 150 erkrankten an Aids. Mittelfristig müsse weiterhin mit 400 bis 450 Neuinfektionen pro Jahr gerechnet werden, berichtete Meyer. Nach wie vor seien schwule Männer mit 53 Prozent der Neu-Infizierten die am stärksten betroffene Gruppe. Die Neuinfektionsrate der Drogen gebrauchenden Menschen konnte stark reduziert werden. Allerdings steige der Anteil der betroffenen Frauen und der HIV-infizierten Zuwanderer. Vermehrt würde der Erreger durch heterosexuelle Kontakte übertragen.

Doch: Das Thema werde, bedingt durch den medizinischen Fortschritt, nicht mehr so wichtig genommen wie früher, kritisierte Meyer. „Für Sorglosigkeit nach dem Motto ‘Aids ist ja heute nicht mehr ganz so schlimm‘ gibt es nicht den geringsten Anlass.“ Die Immunschwächekrankheit sei nach wie vor eine menschliche Tragödie.

In NRW leben derzeit etwa 9.500 Menschen mit dem lebensbedrohlichen Virus, 1.000 von ihnen sind an Aids erkrankt. Seit Beginn der Epidemie 1982 haben sich in NRW rund 14.500 der bundesweit 67.500 Betroffenen mit dem Virus angesteckt. Insgesamt starben etwas 23.500 Menschen an Aids, 5.000 davon stammten aus NRW.

Als „wirklich positiv“ bezeichnete Meyer die Entwicklung der so genannten „Primärprävention“. Hier bemüht sich die Aids-Hilfe die Menschen umfangreich zu informieren und aufzuklären. Mehr als die Hälfte der Aufklärungsgespräche hätte mit jungen Menschen statt gefunden. Das zeige, dass Arbeit bei Jugendlichen gut ankommt und die Aids-Hilfen vor Ort genutzt werden. Wichtig ist das, da gerade junge Menschen oft „präventionsmüde“ sind und sich nicht mehr so sehr für das Thema Aids interessieren. Die 43 Anlaufstellen der Aids-Hilfe NRW, die seit 20 Jahren im Land aktiv ist, betreuten im vergangenen Jahr 207.500 Informations- und Hilfesuchende. Dabei steht die Förderung der Selbsthilfe von Menschen mit HIV und Aids im Mittelpunkt.

Nun setzten die nordrhein-westfälischen Aids-Hilfen darauf, dass die neue Landesregierung die erfolgreiche Aids-Politik fortsetzten wird. „Ersten Äußerungen seitens der Landesregierung zufolge, gehen wir zuversichtlich davon aus, dass die CDU/FDP-Koalition die bewährte Prävention in NRW sicherstellen will“, sagte Klaus-Peter Hackbarth, Landesvorstand der Aids-Hilfe NRW. An die neuen Regierungsfraktionen im Landtag appellierte er, der Landesregierung mit entsprechenden Haushaltsbeschlüssen zur Seite zu springen.

Förderung vom Land und von den Kommunen ist nötig, damit die Aids-Hilfe ihre Arbeit fortsetzten kann. „Nach wie vor bestehen große Herausforderungen, denen nur durch uneingeschränkte Aufklärung und wirksame Prävention begegnet werden kann“, erklärte Hackbarth. „Dass das auch Geld kostet, sollten wir nicht verschweigen.“

In diesem Jahr stellt der Landeshaushalt insgesamt 4,4 Millionen Euro für die Aids-Vorbeugung bereit. JOSEFINE FEHR