René Hamann
Ausgehen und Rumstehen
: Gemütlich as fuck

Wir redeten über designte Geschmacksrichtungen. Wie bei Kartoffelchips oder Frischkäsesorten war es auch der E-Zigaretten-Industrie gelungen, künstliche Aromen zu bilden. Mittlerweile deckten die Liquide für die E-Shisha das ganze Spektrum möglicher Geschmacksrichtungen ab, von Erdbeer über Döner mit scharf bis hin zu Popcorn; authentisch war halt vorvorgestern.

Kon­sequenterweise dampft A. aber „traditional tobacco“. „Popcorn“ hat er auch mal probiert. Ging aber nicht, weil er keine Lust hatte, bei jedem Zug alle zehn Minuten ans Kino zu denken.

Es rauchte kaum jemand an diesem Abend, obwohl die neue Entlüftungsanlage im Bürkner-Eck hervorragend zu funktionieren schien. Auch sonst war einiges neu: Die Spirituosen waren nach Farbcodes in Sonderflaschen sortiert (rote, grüne, gelbe Ringe an den ­Flaschenhälsen), die Belegschaft war so komplett neu, dass sie sich noch selbst durch die Karte navigieren musste, die Musik plätscherte im Hintergrund, und der Altersdurchschnitt hatte sich uns freundlich angepasst. Auch das Bierangebot war ein wenig besser als vorher.

So saßen wir dann und unterhielten uns. Erst über Liquide, dann über Science-Fiction-Filme. Wir hatten tatsächlich ins Kino gewollt, in die Komödie „The Big Sick“, aber dann hatte ich einen Platten, als ich aus der Physiopraxis kam.

Also musste ich das Rad schieben und verlegte das Treffen gleich auf die Kneipe. Man muss ja auch Zeit sparen. Und so ließ sich praktischerweise ja auch ein frühes Ende dieses ersten Wochenendabends absehen, getreu dem Motto „Früh voll ist früh zu Haus“, oder, um mit dem Hamburger Abwehrspieler Mergim Mavraj zu sprechen: „Schlafen ist super für den Körper.“ Und am nächsten Tag sollte es ja schon wieder rausgehen. Im Treppenhaus zur Fahimi Bar, apropos Geruchsdesign, roch es energisch nach Urin. Was nicht an der benachbarten Urologenpraxis liegen kann. Sondern an den Umständen, die mir den Kotti immer unleidlicher machen: Dass ich das Heruntergekommene einmal cool fand, ist schon ein paar Jahre her.

Das Haar fällt aus, die Jahre ziehen – ich bevorzuge es ­inzwischen sauber und wohlriechend, oder um es mit einer Werbung für eine Bar in Neukölln zu sagen: „Gemütlich as fuck“. Ich meine, Designer­gerüche für Treppenhäuser können doch keine große Aufgabe darstellen, oder? Ich denke da an „Liquid Zitronenkuchen“ oder auch „Himbeerschnitte“. Etwas Süßes gegen den Knarz!Ask your local Dampfdealer!

In der Fahimi Bar selbst herrschte angenehme Stimmung. Die Barschaft hatte ausreichend Deutschkurse belegt; der Manhattan schmeckte aber leider etwas wässrig. Die Musik kam aus der Dose, die Playlist musste Jan Delay besorgt haben: ein bisschen Funk, ein wenig R&B, alles etwas stark nach Dicke-Hose-Pop klingend.

Im Monarch hingegen (Treppenhaus konnte gut gegen das zur Fahimi Bar anstinken) hatte die Musik deutlich mehr Swing. DJ Lobotomy, wir kennen ihn noch aus Köln, legte guten Rhythm & Blues und etwas Rock ’n’ Roll auf.

Das Monarch wirkte an diesem Abend nicht so bumslokalig wie sonst; zwar waren die jungen Männer in der Überzahl, aber der Indie-Ballermann-Effekt stellte sich nicht so schnell ein wie gedacht. Das Monarch scheint sich von seinem schlechten Ruf zu erholen. Trotz Lage und Treppenhaus. Es gab sogar belgisches Bier mit Biergeschmack. Lecker.