: Revolutionäre Zeiten
Auf dem Cinefest, das vom 18. bis 26. November im Hamburger Metropolis stattfindet, werden Filme gezeigt, die in den Jahren zwischen 1789 und 1848 spielen
Von Wilfried Hippen
Auf Filmfestivals werden in der Regel neue Filme, wenn möglich als Premieren gezeigt, aber beim Cinefest ist dies anders. Der Untertitel macht es deutlich: Es ist ein „Internationales Festival des deutschen Film-Erbes“ und wird veranstaltet vom Bundesarchiv und dem Hamburger Centrum für Filmforschung „CineGraph“. Die Programme werden jeweils nach thematischen Schwerpunkten zusammengestellt und die diesjährige vierzehnte Ausgabe hat den gewohnt akademisch-sperrigen Titel „Zwischen Revolution und Restauration – Kultur und Politik 1789 - 1848 im Spiegel des Films.“ 23 Filme werden zwischen dem 18. und 26. November im Hamburger Metropolis gezeigt und das Thema bedingt, dass dies mehrheitlich historische Kostümfilme sind, hier also auch nebenbei ein Genre vorgestellt wird.
Die Beschränkung auf das „deutsche Filmerbe“ wird dabei zum Glück nicht zu ernst genommen, denn großzügig gedacht gehört ja auch jeder Film, der in deutschen Kinos zu sehen war, zu diesem. So wird mit Stanley Kubricks „Barry Lyndon“ eines der Meisterwerke des Genres gezeigt. Die Einführung wird Kubricks Schwager und Produzent Jan Harlan halten.
Und auch eine Kuriosität findet sich so im Programm: In „Gothic“ erzählt Ken Russell zwar von dem verregneten Urlaub den Lord Byron und das Dichterpaar Shelley 1816 am Genfer See verbrachten und bei dem Mary Shelley dann „Frankenstein“ schrieb. Aber wie von Russell nicht anders zu erwarten, ist dies eine melodramatische Travestie.
Wie üblich werden auf dem CineFest Stummfilme aus den frühen Zeiten des Films neben neuen Produktionen gezeigt. Der älteste Film im Programm ist „Hoffmanns Erzählungen“ von Richard Oswald aus dem Jahr 1916, der live von Marie-Luise Bolte begleitet wird. Der Jüngste ist „Mitte Ende August“ von Sebastian Schipper, der nicht in historischen Zeiten spielt, aber als eine Neuinterpretation von Goethes „Wahlverwandschaften“ dennoch gut in die Reihe passt.
Goethe ist auch sonst im Programm allgegenwärtig. Mit „Die neuen Leiden des jungen W“ nach dem Drehbuch von Ulrich Plenzdorf und „Le Roman de Werther“ von Max Ophüls aus dem Jahr 1938 kann man zwei Adaptionen von Goethes Roman miteinander vergleichen und bei „Lotte von Weimar“ gibt es interessante Brechungen: Hier tritt Goethe in einem Roman von Thomas Mann auf und dies wurde wiederum in einem Film aus der DDR interpretiert.
Es wurden offensichtlich immer wieder gerne Romane und Theaterstücke aus dem frühen 19. Jahrhundert adaptiert. Büchner ist gut vertreten mit „Wozzek“ von 1947 und George Moores „Lenz“, in dem vor allem vom Sturm und Drang des Entstehungsjahrs 1969 erzählt wird. In Bernhard Sinkels Verfilmung von Joseph von Eichendorffs „Taugenichts“ wiederum ist viel vom Zeitgeist der späten 70er-Jahre zu spüren. Aber genau um solche Unschärfen geht es ja auch beim Cinefest.
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