Regierungspartei steuert auf klaren Wahlsieg zu

UKRAINE Partei der Regionen von Staatschef Janukowitsch kommt auf 35 Prozent der Stimmen. Die Oppositionspartei des Profiboxers Vitali Klitschko schafft mit 13 Prozent auf Anhieb den Sprung ins Parlament. Auch Nationalisten überwinden Fünfprozenthürde

Klitschko muss beweisen, dass er für die Kämpfe ohne Regeln in der Politik reif ist

AUS LEMBERG JURI DURKOT

Hätte ein unvorbereiteter Beobachter die Internetseite der Zentralen Wahlkommission in Kiew in der Nacht nach der Parlamentswahl aufgemacht, hätte er etwas Merkwürdiges festgestellt. Dort stand, dass die regierende Partei der Regionen mit rund 50 Prozent der Stimmen weit vorne liegt. Und das, obwohl alle Exit-Polls nach der Schließung der Wahllokale etwa 30 Prozent anzeigten.

Am Montagmorgen hatte sich das Bild etwas geändert – nur noch 40 Prozent der Wähler sollten sich für die Regierungspartei entschieden haben, am frühen Nachmittag waren es bereits 34 Prozent. Die Opposition verbesserte sich, die Wählerliebe zu den Kommunisten, dem Koalitionspartner in einer seltsamen Allianz mit dem Großkapital, ging auf 15 Prozent etwas nach unten.

Der Grund für die ukrainischen Zahlenspiele ist die Art der Auszählung. Man fängt mit Haftanstalten und Krankenhäusern an, wo der administrative Druck seine volle Wirkung entfalten kann. Danach werden wie zufällig zunächst ein paar Wahlkreise ausgezählt, wo die regierende Partei besonders gut abschneidet. Mit der Zeit nähert sich das Resultat dem tatsächlichen Ergebnis an, wobei die Regierungspartei die Angaben der Exit-Polls in der Regel leicht übertrifft.

Fünf Parteien werden ins Parlament einziehen, dabei hätte die Opposition laut Exit-Polls auf den ersten Blick sogar leichte Vorteile gehabt. Zwar gewinnt die Partei der Regionen die Wahl deutlich vor der Partei „Batkiwschtschyna“ der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko (22 Prozent). Doch zusammen mit der Partei Udar des Boxprofis Vitali Klitschko, die 13 Prozent erreichte, und der nationalistischen Partei „Swoboda“ – sie übersprang mit 8 Prozent unerwartet klar die Fünfprozenthürde – hätte die Opposition sogar die knappe Mehrheit.

Doch das ist nur die Hälfte der Rechnung. Denn nur 225 der 450 Mandate werden über Parteilisten verteilt, die anderen 225 Sitze gehen an Direktkandidaten. Da das ukrainische Wahlsystem keine Überhangmandate kennt, kann dies das Ergebnis komplett auf den Kopf stellen.

Nach derzeitigem Stand hat die Partei der Regionen etwa die Hälfte der Direktmandate gewonnen, zusammen mit „Unabhängigen“ und Satelliten sogar noch mehr, so dass ihr eine komfortable Mehrheit im Parlament sicher ist. Für Wahlkreise, wo sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Vorteilen für Kandidaten der Opposition abzeichnet, kann eine bewährte Taktik angewendet werden. Hier werden die Stimmen besonders langsam ausgezählt, was möglichen Manipulationen Tür und Tor öffnet.

Dabei war diese Wahl – nicht anders als jede andere Wahl in der Ukraine in den vergangenen zehn Jahren auch – ein Lagerwahlkampf. Die Partei der Regionen und die Kommunisten behielten in den Industriegebieten des russischsprachigen Ostens und im Süden des Landes erwartungsgemäß die Oberhand. Die Opposition gewann in den überwiegend ukrainischsprachigen Gebieten im Westen sowie in der Zentralukraine. Auch die Hauptstadt Kiew bleibt erstmals in der Hand der Opposition.

Allerdings sorgen die frustrierten Wähler für deutliche Stimmengewinne bei den Kommunisten und der nationalistischen „Swoboda“. Vitali Klitschko mit seiner Partei Udar muss dagegen erst noch beweisen, dass er für die harten Kämpfe ohne Regeln in der ukrainischen Politik reif ist und seine bunte Mannschaft fest im Griff hat. Sonst kann er schnell vom größten Hoffnungsträger zur größten Enttäuschung dieser Wahl werden.

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