Rot-Rot-Grün siegt in Norwegen

Die bisherige konservativ-liberale Regierungskoalition verliert die Parlamentswahl, doch die rechtspopulistische Fortschrittspartei wird zur zweitstärksten Kraft. Die neue Regierung verspricht den Ausbau des Sozialstaates

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Ein rot-rot-grünes Bündnis hat die gestrigen Parlamentswahlen in Norwegen gewonnen. Mit dem Sozialdemokraten Jens Stoltenberg als Ministerpräsidenten wollen drei Parteien die Regierung bilden, die mit 88 von 169 Parlamentssitzen eine knappe Mehrheit erringen konnten: Neben der sozialdemokratischen Arbeiterpartei sind dies die sozialistische Linkspartei und die grüne Zentrumspartei. Dabei wurden die Sozialdemokraten mit 62 Mandaten und einem Stimmenanteil von 32,7 Prozent (plus 8,4) stärkste Partei.

Erstmals zweitstärkste Partei wurde jedoch mit 22,1 Prozent die rechtspopulistische ausländerfeindliche Fortschrittspartei. Damit ist sie in Europa nicht nur die mittlerweile stärkste rechtspopulistische Gruppierung, sondern auch die stabilste. Sie blickt auf eine dreißigjährige Geschichte mit stetig wachsendem politischen Einfluss zurück. Sie etablierte sich auf kommunaler Ebene und machte sich im Parlament als Mehrheitsbeschafferin nahezu unentbehrlich. So ist sie auch am jetzigen Scheitern der bisherigen christdemokratisch geführten Regierung von Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik beteiligt, dem sie die parlamentarische Unterstützung aufkündigte. Während die Fortschrittspartei 7,5 Prozent dazugewann, verloren die drei anderen, dem rechten Parteispektrum zuzurechnenden konservativ-liberalen Parteien 10,2 Prozent und kamen zusammen nur noch auf 26,8 Prozent.

Eine Grund des Erfolgs der Rechtspopulisten ist ihr charismatischer Parteivorsitzender Carl I. Hagen. Anders als früher verzichtete er jetzt weithin auf rassistische Töne, weil er mit der Forderung auf schnelle Ausschüttung von Ölgeldern – er versprach umfassende Steuerentlastungen und einen gänzlich von Steuern befreiten Benzinpreis – sowie anderen Themen genügend Punkte sammeln konnte. Für die weitere Entwicklung des norwegischen Parteiensystems wird entscheidend sein, ob der Erfolg der Fortschrittspartei auch nach Hagens bereits angekündigtem Rückzug aus der aktiven Politik anhalten wird. Er selbst jedenfalls sieht sie bereits als „neue Arbeiterpartei“.

Die „alte“ Arbeiterpartei von Stoltenberg gewann mit dem Versprechen des Ausbaus des Wohlfahrtsstaats. Mehr Geld soll in Schulen, Altenpflege und Gesundheitswesen fließen. Zudem sollen Kürzungen der Leistungen für Arbeitslose zurückgenommen und eine Arbeitsplatzoffensive gestartet werden, um die Arbeitslosenzahl von rund einhunderttausend zu senken.

Der grüne Flügel der neuen Regierung wurde auf Kosten der Sozialdemokraten deutlich schwächer als erwartet. Während das Zentrum leicht zulegen konnte, erlitt die rot-grüne Linkspartei mit dem Verlust eines Drittels ihrer Parlamentssitze eine herbe Niederlage. Ihr Fundi-Flügel nahm ihr offenbar den dem Koalitionseintritt geschuldeten Verzicht auf eine entschiedene Anti-Nato- und Anti-EU-Politik übel.