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Ein himmelblauer Trabant rollte durchs Land

Er galt mal als moderner Kleinwagen: Vor 60 Jahren ging der Trabant in Produktion. Heute ist das Symbol der Wiedervereinigung nur noch ein Liebhaberstück. Doch die Zahl der zugelassenen Trabissteigt wieder

Das haben sie nicht verdient: stillgelegte Trabis Foto: Lothar Steiner/Zoonar

Von Helmut Höge

Das slawische Wort „Trabant“ heißt so viel wie „Begleiter“. Der gleichnamige Pkw begleitete die DDR-Bürger von Ende 1957 bis zum Ende der DDR 1990. In dieser Zeit stellte der VEB Sachsenring Kraftfahrzeug- und Motorenwerk Zwickau mehr als drei Millionen Trabant her. Am 7. November 1957 ging der „Trabi“ in Produktion – er wird also 60. Der Trabant kostete zunächst 7.400 Mark. Bereits Anfang der 1970er mussten die Käufer durchschnittlich 17 Jahre auf die Auslieferung warten, was zur Folge hatte, dass viele schon einen Trabi für ihr kleines Kind bestellten.

Die Karosserie bestand aus sogenanntem Duroplast (gehärtetes Kunstharz – Anm. d. Red.), weil die DDR wegen eines von den Amis verhängten Wirtschaftsembargos keinen Stahl aus der BRD importieren konnte. Man nannte den Trabant deswegen auch „die Pappe“. Der Zwickauer Werbespruch dafür hieß: „Ein Fahrzeug, das viel zu bieten hat, Komfort, Platz und Zuverlässigkeit.“

Der Kofferraum hatte ein Volumen von 415 Liter, noch weitaus mehr passte in den Kombi namens „Universal“. „Wer das Fahrzeug besaß, konnte es auch reparieren“, schreibt das „Trabant Team Freital“, ein Trabi-Club, auf seiner Internetseite.

Auf pappenforum.de wurde 2009 diskutiert, wie man seinem Trabi zu besseren Abgaswerten verhelfen kann. Mit „Einspritztechnik und Katalysator“ lässt sich der „Trabant-Zweitakter“ nachrüsten. In Schwerin gibt es eine Firma, die einen Elektromotor für den Trabi entwickelt hat. Er ist damit „etwas flotter als das Original, doch die subversive Widerspenstigkeit hat er sich bewahrt“, schreibt ein Testfahrer.

Subversiv ist auch seine lange Lebensdauer, die von der DDR für viele Produkte garantiert wurde, denn obwohl der Trabant seit 26 Jahren nicht mehr produziert wird, werden immer mehr angemeldet: 2015 waren noch 32.832 Trabant in Deutschland zugelassen, jetzt sind es schon 34.449.

Dabei hatte die westdeutsche Regierung nach der Wende auf Wunsch der westdeutschen Automobilhersteller eine „Umweltprämie“ fürs Verschrotten der „lauten und stinkenden Trabant“ gezahlt. Sie wurde jedoch kaum wahrgenommen. Nicht zuletzt deswegen, weil der Kaufpreis mit der Zeit immer mehr stieg: Heute zahlt man zwischen 1.000 und 10.000 Euro für einen Trabant. Das Auto war in der DDR eine sichere Geldanlage – und ist es immer noch.

Stretchlimousine „Trabi XXL“

Geliebt und gehasst

Produktionsbeginn des DDR-Klassikers war am 7. 11. 1957 in Zwickau. Der Trabant zählte damals zu den ersten Kleinwagen mit Frontantrieb, die Platz für vier Erwachsene und Gepäck boten, war sparsam, erschwinglich und robust.

Der Zweitaktmotor galt spätestens ab Mitte der 1960er als nicht mehr zeitgemäß. Der Trabant wurde – vor allem aus Mangel an Ressourcen – nicht weiterentwickelt, die Konstruktion veraltete. In den 1980er war der Trabi selbst in den sozialistischen Bruderländern fast unverkäuflich geworden.

In der DDR bestand mangels Alternativen bis zur Wende eine große Nachfrage. Viele DDR-Bürger waren in einer Art Hassliebe mit ihrem Trabant verbunden.

In Berlin lockt am Checkpoint Charlie, in der Zimmerstraße 97, das Trabi Museum. (taz)

Selbst gemietet wird der Trabant, vor allem als Cabriolet, immer teurer: In der Sächsischen Schweiz kosten zwei Stunden mit einem normalen Trabant 49 Euro und in Berlin 89 Euro. Für eine zweistündige Stadtrundfahrt mit der Stretchlimousine „Trabi XXL“ zahlt man hier sogar 299 Euro. Etliche Trabant-Witze sind damit hinfällig geworden – zum Beispiel dieser: „Wie verdoppelt man den Wert des Trabi?“ – „Einmal volltanken!“

Andere Witze wie der folgende haben jedoch ihre Gültigkeit behalten: „Warum nennt man den Trabant eigentlich Trabi?“ – „Wenn er schneller wäre, würde man ihn Galoppi nennen.“ Das hat jedoch viele Trabant-Besitzer nicht davon abgehalten, damit Riesenstrecken zu bewältigen: Ein Pankower fährt mit seinem hellblauen Trabi regelmäßig auf die Krim in Urlaub; der Tscheche Dan Priban bereiste mit seinem gelben Trabi Afrika, Asien und Südamerika und zuletzt, 2015, auch noch Australien. „Es ist ein einfaches, aber robustes Auto“, meint er, der seine Abenteuerreisen als „Transtrabant-Expeditionen“ bezeichnet.

Der als Nachrücker von Stefan Heym in den Bundestag eingezogene arbeitslose Batteriefabrikarbeiter Hanns-Peter Hartmann erlebte mit seinem alten Trabant auch innerstädtische Abenteuer: Als Mitglied des Bundestages (kurz: MdB), worauf ein Aufkleber an der Windschutzscheibe hinwies, durfte er überall parken. Das tat er dann auch, aber kein Hotelportier oder Polizist wollte ihn ungestraft davonkommen lassen. Selbst der MdB-Ausweis des Trabifahrers erweckte ihr Misstrauen.

Andere Trabifahrer machten sich einen Spaß daraus, quer zur Straße zwischen Pollern zu parken, denn deren Abstand war zum Abweisen der breiteren Westautos geplant worden. „Das konnte doch kein Schwein ahnen, dass plötzlich Massen schmaler Trabis den Kurfürstendamm und die Straßen drumherum unsicher machen würden“, entschuldigte zum Beispiel der stellvertretende Leiter des Tiefbauamts Wilmersdorf seine Verpollerungen, die mit der Wiedervereinigung unzureichend geworden waren. Eines der Gemälde auf der East Side Gallery zeigt einen Trabant beim Durchbrechen der Mauer.

Ein himmelblauer Trabant heißt der größte Hit von DDR-Schlagersängerin Sonja Schmidt (*1946). Der Refrain geht so: „Ein himmelblauer Trabant rollte durchs Land, mitten im Regen. Der große Himmel war grau, trübe und rau. Ich aber fuhr im himmelblauen Trabant, quer übers Land mitten im Regen.“

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