„In den Heimen ein offenes Geheimnis“

Diana Henniges von „Moabit hilft“ sind Vorwürfe, dass Berliner Sicherheitsfirmen Geflüchtete in die Prostitution vermitteln würden, schon länger bekannt

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob gegen unbekannte Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts von Zwangsprostitution einzuleiten ist. Das erklärte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Silke Becker, am Mittwoch auf taz-Nachfrage.

Das ZDF-Magazin "Frontal 21" hatte am Dienstag berichtet, dass Berliner Sicherheitsfirmen Flüchtlinge in die Prostitution vermitteln. Der Beitrag stützt sich u. a. auf Angaben von Flüchtlingen und Sicherheitsleuten, die anonym bleiben. Auch eine Betreuerin wird als Zeugin zitiert. (plu)

Interview Plutonia Plarre

taz: Frau Henniges, Berliner Sicherheitsfirmen werden schwere Vorwürfe gemacht: Mitarbeiter sollen Flüchtlinge in die Prostitution vermitteln. Was ist an den Vorwürfen dran?

Diana Henniges: Schon im Juni 2017 haben wir von „Moabit hilft“ auf die unsäglichen Zustände in der Flüchtlingsunterkunft im Rathaus Wilmersdorf aufmerksam gemacht. Das dort eingesetzte Security-Unternehmen war auch durch gewaltsame Übergriffe auf Geflüchtete aufgefallen. All diese Informationen haben wir an die zuständige Senatsverwaltung für Soziales weitergeben.

Was wissen Sie über das Zustandekommen von Prostitution von Heimbewohnern?

Wir haben unser Wissen von vier, fünf Geflüchteten. In allen Fällen sind es Männer. Die einen sind von Sicherheitsleuten angesprochen worden, andere haben die Sicherheitsleute von sich aus angesprochen, weil sie sich schon vorher prostituiert haben. Für die Vermittlung haben sie dann Geld an die Security bezahlt.

Für die Vermittlung von Freiern, Zuhältern, oder worum geht es?

Das sind alles sehr schambehaftete Informationen, über die nicht im Detail erzählt wird. Uns wurde berichtet, dass Sicherheitsunternehmen daran beteiligt sind, dass sie sich prostituieren.

In wie vielen Unterkünften passiert das?

Mir sind allein drei Unterkünfte bekannt. Das heißt, mindestens drei Firmen sind involviert. Das sind einzelne Fälle, die uns aus diesen Heimen zugetragen werden – nicht nur von Prostituierten selbst. Es kann auch eine Flüchtlingsfamilie sein, die erzählt, dass in der dritten Etage eines bestimmten Hostels regelmäßig ab einer bestimmten Uhrzeit Prostitution angeboten wird. Oder Drogenhandel.

Und die Security ist dabei das Einfallstor?

So ist es. Das liegt daran, dass unfassbar viele unseriöse Sicherheitsunternehmen das Sagen in den Unterkünften haben. Die Betreiber können keine qualifizierten Betreuungskräfte einstellen für das mickrige Geld, das sie bekommen. Das heißt, das Security­unternehmen ist in der Unterkunft die ausführende Gewalt. Viele Geflüchtete halten die Security deshalb auch für die deutsche Polizei.

Diana Henniges

gründete 2013 den Verein „Moabit hilft“. Der kümmert sich um Geflüchtete. Die Historikerin, die soziale Arbeit studiert hat, ist dort Vorstand.

Dazu kommt, dass viele Sicherheitsleute arabisch sprechen.

Richtig, viele sind Landsleute der Geflüchteten. Durch den sprachlichen Zugang können sie die Heimbewohner unter Druck setzen.

Kann man von einem offenen Geheimnis in den Unterkünften reden?

Davon gehe ich aus. Wenn das zu uns durchdringt, wie kann es da sein, dass es einer Heimleitung und den Sozialarbeitern nicht bekannt ist? Das funktioniert nach der bekannten Affentechnik: Augen, Ohren und Mund zu.

Langversion des Interviews: taz.online