wortwechsel: Kartoffeln, Frauen und „Meinungsdelikte“
Kartoffeln in Grund und Boden gestampft, Weinstein auch. Vehemente Auftritte gegen Sexismus und Rassismus – aber Holocaustverleugnung soll „Meinungsdelikt“ werden?
Gemüseintegration
„Von Kartoffel zu Kartoffel“,
taz vom 27. 10. 17
Liebe Redaktion, ich fühle mich geehrt, als deutsche Kartoffel bezeichnet zu werden. Schließlich ist die Kartoffel eine exotische Kulturpflanze, die nach Deutschland einwanderte und erfolgreich in die deutsche (Ess-)Kultur integriert wurde. Herzliche Grüße. Reinhard Huss, Leeds, UK
Von Frau zu Frau
„#MeToo“, taz vom 28. 10. 17
Ich bin eine Frau. Und ich bin kein Opfer.
Um wirkliche Opfer von Männergewalt geht es bei der aktuellen Zurschaustellung des Opferstatus eher privilegierter Frauen auch nicht. Fast niemand spricht über die Frauen, die vergewaltigt, missbraucht, zur Prostitution gezwungen und zwangsverheiratet werden. Die haben wirklich kaum Chancen, sich zu wehren.
Dass aber kluge und oft erfolgreiche Frauen nach Jahrzehnten Frauenbewegung sich als Opfer präsentieren, das macht mich fassungslos.
Man kann einem Kerl, der einen begrapscht, auf die Finger schlagen. Man kann auf verbale Übergriffe mit deutlichen Worten reagieren. Und man kann einem Mann, der ein Jobangebot mit Sex verknüpft, sagen: „Steck dir deinen Job sonst wohin!“ Man kann all das öffentlich machen und solidarisch mit anderen Frauen sein. Und statt sich – wie erfolgreiche und reiche Hollywood-Schauspielerinnen – jahrelang ohne Not zur Komplizin des Systems zu machen, könnte man auch mal den Mund aufmachen und deutlich sagen: „Mit mir nicht!“
Vor allem aber sollte man unbedingt in den Blick nehmen, dass Sexismus nach wie vor ein strukturelles Problem ist. Frauenberufe werden schlecht bezahlt, in vergleichbaren Jobs verdienen Frauen weniger, im Bundestag sitzt gerade mal ein Drittel Frauen, Männernetzwerke und gläserne Decken sind Karrierebremsen für Frauen, und in die Familienfalle tappen vor allem Frauen. Gegen all das gilt es sich zu wehren.
Frauen sind die Hälfte der Menschen, Frauen bekommen Kinder und ziehen sie groß, Frauen pflegen Kranke und Alte, Frauen machen schlecht bezahlte Jobs in allen Wirtschaftsbereichen. Ohne sie läuft nichts. Das ist ein großer Machtfaktor, den viele Frauen überhaupt nicht erkennen. Es ist höchste Zeit, dass wir Frauen uns unsere Macht endlich bewusst machen und uns das nehmen, was uns zusteht.
Und nebenbei: auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt kann man auch sehr schöne Erfahrungen mit Männern machen. Margit Hähner, Köln
Verantwortung
„#MeToo“, taz vom 28. 10. 17
Who am I? Without a #hashtag? Ich habe eine Geschichte von sexueller Gewalt zu berichten, die mir geschehen ist. Ich habe meinen Facebook-Account vor einiger Zeit gelöscht. Ich hatte nie einen Twitter-Account. Ich frage mich: Wie, wo, wann wird meine Stimme, meine Geschichte gehört? Und vor allem, wann kommt die Verantwortung!? Juliana Meyer, Cottbus
Mehrheiten
„Von Kartoffel zu Kartoffel“,
taz vom 27. 10. 17
Hengameh Yaghoobifarah, so Katrin Gottschalk, sei zu einer Hassfigur geworden, und das, obwohl sie doch nur unser aller Rassismus „spiegele“. Ihre Polemik habe mit Rassismus nichts zu tun.
Rassismus ist es also nur, wenn Minderheiten diffamiert werden? Was für ein Begriff von Rassismus soll das sein? Es gibt jüdischen Rassismus gegen Araber, arabischen Rassismus gegen Schwarze und schwarzen Rassismus gegen Pygmäen. Und selbstverständlich gibt es auch Rassismus gegen Deutsche. Hengameh Yaghoobifarah ist eine Hassfigur, weil die taz sie Hass verbreiten lässt.
Diese Kolumnistin ist eine Steineschmeißerin. Sie erfährt zweifellos Diskriminierendes, sie nutzt es aber auch zu einer darüber hinaus gehenden peinlichen Selbstviktimisierung, auf deren Basis sie dann aggressive Ausfälle gegen „die Deutschen“ vorführt.
Dies hat kein anderes Niveau als die Gleichsetzung islamistischer Regime mit muslimischen Gläubigen, wie sie der AFD-Mann Glaser vornimmt. Linke und Rechte brauchen sich halt dringend mit ihren undifferenzierten, stereotypen und aggressiven Lautäußerungen.
Wenn der politische Zweck so die journalistischen Mittel heiligt, dann trägt die taz zur Verrohung des öffentlichen Diskurses bei. Stefan Hirschauer, Mainz
Neusprech
„Von Kartoffel zu Kartoffel“,
taz vom 27. 10. 17
Es ist sehr löblich, dass Sie Ihre Kolumnistin H. Yaghoobifarah in Schutz nehmen, hätte sie sich selbst geäußert, wären ihr sicher weitere verbale Angriffe von irgendwelchen „weißen Rassisten“ nicht erspart geblieben.
Die Schreibe der Kollegin aber als „Spiegelung“ dessen zu bezeichnen, was manche Menschen loswerden zu dürfen meinen, ist ähnlich euphemistisch wie Orwell’sches Neusprech. Erklären Sie mir nicht, dass ich es als Leserin hinnehmen muss, wenn ich beschimpft und beleidigt werde, nur weil einige meiner Landsleute entgleiten. Frau Yaghoobifarah zahlt mit gleicher Münze heim. Mir ist es völlig egal, wo sie oder ich unseren „Migränehintergrund“ herhaben – ich will keinem Hass und keiner Geringschätzung ausgesetzt sein. Sandra Hegmanns-Peifer, Duisburg
Der dritte Weg
„Ein dramatisches Versagen des Westens“, taz vom 25. 10. 2017
Es stimmt, dass es bei uns kaum größere Protestaktionen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien gegeben hat. Aber der Gründer von „Adopt a Revolution“ vermittelt den Eindruck, der Westen hätte eine Flugverbotszone einrichten oder gar mit Bodentruppen in Syrien eingreifen sollen. Und er sagt nichts zur zwielichtigen Rolle der Türkei in diesem Konflikt. Die Zurückhaltung im Westen war auch durch die Gefahr eines neuen islamistischen Regimes in Damaskus nach Assad begründet.
Schön, dass „Adopt a Revolution“ eine Gruppe „in den kurdisch geprägten Gebieten“ fördert, um einen dritten Weg zu ebnen. Aber Elias Perabo sagt nichts zum Erfolg des dritten Weges, zur Selbstverwaltung und zum friedlichen Zusammenleben der Ethnien und Religionen in Nordsyrien seit 2012. Die Kurd*innen haben sich erfolgreich gegen den IS verteidigt und nicht gegen das Assad-Regime gekämpft. Sie haben unter Embargo-Bedingungen mit eigenen Kräften eine basisdemokratische Revolution vollzogen. Und sie haben Hunderttausende von Geflüchteten aus anderen Teilen Syriens aufgenommen und versorgt. Mit ihnen solidarisiert sich auch die Linke im Westen. Auch unter den Arabern in Syrien wird dieses Modell zunehmend übernommen. Leider wird, wie in diesem Interview, zu wenig darüber berichtet. Jürgen Weßling, Hannover
„Meinungsdelikt“
„Bis ganz zum Schluss“,
taz vom 28. 10. 2017
Die AfD zieht in den Bundestag ein, und in der taz wird die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung in Frage gestellt. Und dazu eine zweiseitige Home-Story über Horst Mahler. Würdet Ihr auch Ursula Haverbeck im Gefängnis besuchen, oder gelten für Horst Mahler wegen seiner RAF-Vergangenheit andere Maßstäbe? Würden seine ehemaligen anwaltlichen Weggefährten auch mit Blick auf Gary Lauck den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB als bloßes „Meinungsdelikt“ relativieren? Gewiss, eine „resozialisierende“ Wirkung der Inhaftierung ist bei Horst Mahler wohl nicht zu erwarten – aber sollen künftig alle Straftäter straffrei bleiben, bei denen die Strafe „völlig ins Leere“ (Schily) laufen wird? Und welches andere Mittel als das Strafgesetzbuch hätte denn diese Republik, um die Leugner historischer Tatsachen auszugrenzen, auf denen unser Verfassungskonsens beruht?
Matthias Knuth, Hattingen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen