Der Punk des japanischen Kinos

Im B-Movie in Hamburg läuft im November eine Reihe mit insgesamt acht Filmen des Kult-Filmemachers Sion Sono

Von Wilfried Hippen

Sion Sono ist Punk. Doch statt eine Gitarre zu traktieren, spielte er Mitte der 80er Jahre in Japan lieber mit der Super-8-Kamera herum. Im Alter von 22 Jahren drehte er, ohne viel vom Handwerk zu verstehen, aber mit einem grandiosen Selbstvertrauen, ein Selbstporträt mit dem Titel „I Am Sion Sono“. Das Ergebnis wirkte genauso wild, provokant, laut und amateurhaft wie ein guter 37 Minuten langer Punksong.

Dieser durchaus selten gezeigte Film läuft am 9. und 25.11. im B-Movie in Hamburg. Dort wird in den nächsten Wochen eine Werkschau mit acht Filmen von Sion Sono gezeigt. Filme zwischen Wirklichkeit und Wahn quer durch die japanische Gesellschaft und ihre Obsessionen hindurch, zwischen Metakino und Trash, schrillem Kitsch und bissiger Satire, wie das B-Movie den Punk-Poet ankündigt. Sono nannte zwar 1995 eines seiner Werke „Bad Film“, entpuppte sich aber als ein Regie-Talent, das inzwischen über 30 Jahre lang auf seine ganz eigene Art Genrefilm und Autorenkino mischt.

Da wird etwa in „Tokyo Tribe“ aus dem Jahr 2014 ein Bandenkrieg zwischen Yakuza-Clans sowohl getanzt wie auch ausgefochten, so dass Bernsteins „West-Side-Story“ deutlich als Inspirationsquelle durchscheint. Die Filmmusik ist aber schriller Hip-Hop.

„Cold Fish“ aus dem Jahr 2010 ist ein Rachethriller, bei dem ein verklemmter Fischhändler vom Chef eines Supermarkts in Mord- und Gewaltexzesse verstrickt wird. Vorsorglich gibt es den Warnhinweis im Programm: „Achtung, teilweise extreme Szenen“, genau wie bei „Guilty of Romance“, den Sono 2011 drehte. Darin geht es um grausame Frauenmorde und eine Literaturdozentin, die aus Lust am Verbotenen nachts als Hure arbeitet. Sono vermischt explizite Sex-Szenen mit Mahlers 5. Sinfonie und die Zentralmetapher ist Kafkas „Das Schloss“.

„Love Exposure“, der vierstündige Film, mit dem Sion Sono 2009 auf der Berlinale reüssierte und ausgezeichnet wurde, ist nicht im Programm. Statt dessen aber seine beiden ersten, kaum gezeigten Filme „A Man´s Flower Road“ von 1986 und „Fahrradseufzer“ von 1989, in dem er schon früh zeigte, dass er auch ruhige Film mit spröder Poesie machen kann.

Dennoch war es eine Überraschung, als Sono 2015 mit dem Film „The Whispering Star“ dem Trash, Kitsch und bösen Witz seiner früheren Filme abgeschworen zu haben schien. In dieser postapokalyptischen Elegie leben nur noch wenige Menschen weit verstreut auf fernen Sternen, und die androide Heldin des Films ist eine interstellare Postbotin, die mit ihrem Raumschiff Pakete zustellt. Gedreht wurde diese Endzeit-Fabel zum Teil in der Präfektur Fukoshima mit Laiendarstellern aus der Region.

Während dieser Dreharbeiten hat Arata Ōshima, Sohn des japanischen Regisseurs Nagisa Ōshima, seine Dokumentation „The Sion Sono“ produziert, die Einblicke in das private Leben und die Arbeitsweise des Filmkünstlers bietet. Der hat inzwischen schon einen neuen Film mit dem Titel „Antiporno“ abgedreht. Man darf gespannt sein, wieviel Punk darin steckt.