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Lluvia – Im Regen des Südens Argentinien 2008, R: Paula Hernández, D: Valeria Bertuccelli, Ernesto Alterio / Originalfassung mit Untertiteln

Es regnet. Stark, fast ununterbrochen den Film hindurch, drei Tage lang. Alma (Valeria Bertuccelli) steht in ihrem alten Renault im Stau. Sie steigt aus, sucht schnell etwas in einem Laden an an der Straße zusammen. Mineralwasser, eine Reisezahnbürste, ein Snack, ein Schwangerschaftstest. Sie nimmt ihre Thermoskanne unter dem Arm hervor und füllt sie am Automaten für heißes Wasser. Für den Matetee. In einem Waschraum putzt sie sich schnell die Zähne, wäscht sich unter den Armen. Sie ist im öffentlichen Raum, aber allein. Später im Film wird sie zu Roberto (Ernesto Alterio) sagen, dass er seit Tagen der erste Mensch ist, mit dem sie länger als ein paar Minuten spricht. Beide sind verschlossen, einsam in den Kokons ihrer Verunsicherung und Sorgen. Sie fangen an, zu reden.

Gedreht ist der Film in Buenos Aires, aber es könnte irgendeine Großstadt sein. Der Film spielt an großen Straßen und Wohnquartieren, an alltäglichen Orten jenseits markanter Sehenswürdigkeiten.

Während bei Alma an der sprachlichen Einfärbung das argentinische Spanisch leicht erkennbar ist, hört sie bei Roberto den Spanier heraus. Langsam kommen sie aus ihrer gegenseitigen, verschlossenen Verschwiegenheit heraus. Es ist gut, jemanden zum Reden zu haben. Alma geht ins Hotel, vor dem sie Roberto abgesetzt hat und findet ihn. Sie gehen zusammen Essen, er erzählt von seiner Frau Laura und seiner sechsjährigen Tochter Nina in Madrid.

In einem heftigen Streit gehen Alma und Roberto auseinander. Sie weiß nicht, dass er mit dem Verlust seines Vaters beschäftigt ist. Als er ihr vorhält, dass es wichtig sei, sich nicht seiner Verantwortung zu entziehen, dass es nicht ginge, ein Kind zu verlassen, versteht sie seine Vehemenz nicht. Sie fühlt sich bedrängt und verletzt. Den Schwangerschaftstest hat sie noch nicht gemacht. Aber sie lebt seit Tagen im Auto. Oft ruft ein Andrés an, sie geht nicht ran. Einmal geht sie in die Wohnung, wo sie bis vor kurzem mit Andrés gelebt hat. Die Zimmer sind hell, überall sind freundlich farbige Einrichtungsgegenstände zu sehen. Dass er nach Buenos Aires gekommen ist, um seinen sterbenden Vater zu sehen, offenbart er Nina erst viel später im Film. 30 Jahre hat er seinen Vater nicht gesehen. Sechs Jahre alt war er, als er und seine Mutter von ihm verlassen wurden. Nun steht er da, in der Wohnung, die er nach dem Tod seines Vaters auflösen muss und findet nicht, was er sucht: Nähe, Zuwendung. Verloren steht er inmitten der Dinge seines Vaters.

Lakonisch erzählt „Lluvia“, wie sehr persönliche Beziehungskrisen verunsichern können, die präsent sind wie ein andauernder Starkregen. Die Bildersprache des Filmes wird getragen von dem ununterbrochen fallenden Wasser. Die Regisseurin Paula Hernández hat dem Film einen ruhigen Rhythmus gegeben, in dessen feinem Spiel die persönlichen Schwankungen von Alma und Roberto sichtbar werden.

Gaston Kirsche

Sa, Mo bis Mi, 7. 11., 20 Uhr im City 46 in Bremen