crime scene
: Mord am Blackåsen: Cecilia Ekbäck und die Kunst der Lücke

Cecilia Ekbäck: „Im Schatten der Mitternachtssonne“. Aus dem Englischen von Sabine Thiele. Dromer, München 2017, 352 Seiten, 14,99 Euro

Und ewig dräut der Berg in den Romanen der in Kanada lebenden und auf Englisch schreibenden Cecilia Ekbäck, die ursprünglich aus Nordschweden stammt. Mittlerweile dürfte sie wieder einen großen Teil ihres Lebens in der Landschaft ihrer Kindheit verbringen – jedenfalls in der Fantasie. „Im Schatten der Mitternachtssonne“ ist der zweite Roman, den sie am Berg Blackåsen angesiedelt hat – den es nicht wirklich gibt, der aber in einer wirklich existierenden Landschaft steht, so wie Ekbäck sie in Erinnerung hat und wie sie in der Gegend nördlich von Luleå aussieht.

Man schreibt das Jahr 1856. In einer kleinen Siedlung am Fuße des Blackåsen ist ein Dreifachmord geschehen; ein Lappe wurde deswegen verhaftet. In der fernen Hauptstadt Stockholm macht man sich Sorgen, denn man hat vor, die Erzmine im Berg auszubeuten, und fürchtet einen Aufruhr unter der samischen Bevölkerung („Lappen“ sagt man ja heutzutage nicht mehr. Ekbäck verwendet aber diese Bezeichnung – und erklärt das im Vorwort auch –, da es sich um einen historischen Roman handle und alles andere anachronistisch gewesen wäre). Der Bergbauminister schickt seinen Zieh- und Schwiegersohn Magnus Stille nach Norden, er soll die Hintergründe des Mordes eruieren. Nebenbei will Magnus, der studierte Geologe, den Berg vermessen. Im Schlepptau hat er seine junge Schwägerin Lovisa, die bei ihrem Vater in Ungnade gefallen ist.

Ekbäck erzählt ihre Geschichte aus drei oder sogar vier Perspektiven. In den Erzählanteilen von Magnus und Lovisa, die naturgemäß zunächst eine konträre Sicht der Dinge anzeigen, läuft im Hintergrund die Geschichte einer behutsamen Annäherung mit. Die dritte Hauptperson ist eine alte Samin, Ester/Biijá, die nach dem Tod ihres Mannes die Einsamkeit weitab von der Sippe sucht und das Leben der schwedischen Siedler von außen betrachtet. Biijás toter Mann aber war – trotz regelmäßiger Kirchgänge – der Schamane seines Stammes. Als geisterhafte vierte Erzählstimme schaltet er sich ab und zu ein und spricht zu Lovisa, die ihrerseits nichts davon merkt …

Die Kunst der bedeutungsvollen Lücke beherrscht Cecilia Ekbäck vollendet. Über die narrativen Kluften zwischen den Erzählanteilen hinweg spannt sich ein Bogen aus reiner Atmosphäre. Die Fantasie der Lesenden spinnt sich daraus ein eigenes, verschwommenes Bild. Auf dieselbe Weise entsteht wahrscheinlich Geisterglaube. Und weil Ekbäck dieses atmosphärische Erzählen so gut beherrscht, tut es nicht viel zur Sache, dass etliche zeithistorische Details leicht anachronistisch erscheinen (oder bekamen Schwedinnen ihre Kinder um 1850 wirklich schon im Krankenhaus?). Es ist halt kein historischer Roman, sondern ein historisierender Krimi. Oder auch: ein schönes Geistermärchen mit Leichen. Katharina Granzin