Parteiaustritt vor der Niedersachsenwahl: CDU-Cop bei SPD in Sicherheit
Kurz vor der Wahl fällt Landespolizeipräsident Uwe Binias der CDU in den Rücken. Die Partei tobt.Wollte sie doch mit dem Thema Sicherheit punkten.
Binias war 2011 von CDU-Innenminister Uwe Schünemann zum Landespolizeipräsidenten ernannt worden. Trotz seines CDU-Parteibuchs hatte ihn Schünemanns sozialdemokratischer Nachfolger, Boris Pistorius, 2013 im Amt gelassen.
Am Dienstag rechnete Binias nun in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) mit den Christdemokraten ab. Er wolle aus der Partei noch vor der Wahl austreten und kündigte an, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Grund für den Bruch mit der CDU sei deren Verhalten im Islamismus-Untersuchungsausschuss. Er habe bitter erfahren müssen, bei seiner eigenen Partei kein Vertrauen zu genießen. Einen Eintritt in eine andere Partei plane er nicht.
Der Untersuchungsausschuss versuchte seit Mai 2016 auf Antrag von CDU und FDP, Schwachstellen bei der Abwehr möglicher islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen aufzudecken. Im Vordergrund stand der Fall der jugendlichen IS-Sympathisantin Safia S., die am Hauptbahnhof Hannover einen Polizisten schwer verletzt hatte.
FDP und CDU hatten Vorwürfe formuliert, es habe eine politische Einflussnahme des Innenministeriums auf die Sicherheitsbehörden gegeben, Islamisten nicht zu verfolgen. Dazu sagte Binias: „Das ist schlicht falsch.“ Voll des Lobes war er indes für SPD-Innenminister Pistorius: „Er setzt sich stark und glaubwürdig für die Polizei ein und genießt dafür weite Anerkennung“, sagte er der HAZ.
CDU-Fraktionsgeschäftsführer Nacke schoss scharf zurück: „Noch nie hat sich ein niedersächsischer Landesbeamter fünf Tage vor einer Landtagswahl derart für den Wahlkampf einer Regierungspartei vor den politischen Karren spannen lassen.“ Binias habe als Beamter damit „eklatant gegen das Mäßigungsgebot verstoßen“. Das sei laut Nacke ein Rechtsverstoß, der Folgen haben müsse.
Zum Untersuchungsausschuss erklärte Nacke, dieser habe, anders als von Binias behauptet, „eine Vielzahl haarsträubender Fehler der Sicherheitsbehörden im Umgang mit islamistischen Aktivitäten in Niedersachsen aufgedeckt“.
Es gebe Belege für eine politische Beeinflussung: „Trotz der Ausreisewelle gewaltbereiter Islamisten nach Syrien waren Kontrollen im Umfeld von Moscheen politisch nicht gewollt.“ Auch habe im Verfassungsschutz die Anweisung, Daten über Jugendliche unter 16 Jahren grundsätzlich nicht mehr zu speichern, zu großer Verunsicherung geführt. So wurde verhindert, dass die Daten von Safia S. vor ihrem Attentat gespeichert wurden.
Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger hatte dazu bereits im März erklärt, dass es keine solche Weisung gegeben habe, sondern lediglich einen Hinweis eines Mitarbeiters auf die sensible Behandlung von Daten Minderjähriger.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte Vorwürfe zur Polizeiarbeit im Fall von Safia S. bereits zurückgewiesen. Und, trotz der Versprechen der CDU, im Falle eines Wahlsieges unter anderem die Gehälter der Polizisten zu erhöhen, stellte sich GdP-Landesvorsitzender Dietmar Schilff auch am Dienstag hinter Binias. Der sei mit seiner Einschätzung zum Untersuchungsausschuss in der Polizei nicht allein.
Bei Grünen und SPD beobachtet man das Ganze entsprechend zurückgelehnt. Innenminister Pistorius war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Und Helge Limburg, Parlamentarischer Geschäftsführer der grünen Landtagsfraktion, erklärte: „Wir haben großen Respekt vor der Entscheidung und Erklärung des Polizeipräsidenten.“ Binias habe bestätigt, „dass die öffentliche Sicherheit bei SPD und Grünen in guten Händen ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen