H & M?
: Mit Schnee von gestern werben

Wahrscheinlich ist es nicht einfach, als Werber für eines der erfolgreichsten Textileinzelhandelsunternehmen der Welt zu arbeiten – dies jedenfalls legen die aktuellen Plakate von H&M nahe. Mit Lana Del Rey und Kate Moss warben sie zuletzt schon mit Schnee von gestern: Die Sängerin Del Rey war schon kein Hype mehr, als 2010 ihr erstes Album erschien. Und Kate Moss wurde 1988 entdeckt – also vor einem Vierteljahrhundert.

Seit Kurzem hängen nun aber neue Plakate von H&M in der Stadt, mit denen die Kette unter dem Motto „The Grey Concept“ einen weiteren Schritt zurückgeht. Auf den Plakaten zur Kampagne ist eine Handvoll Jugendlicher zu sehen. Blass und melancholisch wirken sie, der Blick geht meist nach unten. Sie haben die Haare an den Seiten kurz rasiert, tragen schwarzen Lidschatten, hüftkurze Lederjacken über knielangen Cardigans, posieren meist vor Backsteinmauern, die zweifellos zu pittoresken Industrieruinen gehören. Wer also morgens am Alex auf seine U-Bahn wartet, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als ans Berlin der frühen Achtziger zu denken, an „Kebabträume in der Mauerstadt“ und „Wir sind kalte Sterne, nach uns kommt nichts mehr“ (Einstürzende Neubauten).

Bleibt aber eine entscheidende Frage: Was wollen die Werber vom Image Berlins in den frühen Achtzigern als Freakland, als utopische Insel jenseits vom „Modell Deutschland“ und seinen bürgerlichen Durchschnittsideen? Was ist so sexy an seinen Wavern und Bohemiens, die zwischen Neubauvierteln, Mauer und Spree billige Fabriketagen und Ofenwohnungen bewohnten und die Stadt zum Symbol alternativer Lebensentwürfe machten? Ganz einfach: Es ist so sexy, weil es vergangen ist. Es gibt keine vergleichbar coolen, starken Bilder aus dem Berlin der Jetztzeit – man denke nur an seine smarten Start-up-Gründer, seine Mediaspree und seine jungen, glücklichen Familien in Prenzlauer Berg. SM

Foto: H&M