„Sie verließ sich auf die öffentliche Hand“

Corinna M. starb durch den Ehemann. Gerichtliches Kontaktverbot und Warnungen an die Polizei schützten sie nicht. Vor Gericht geht es nun um die Frage der Schuldfähigkeit des wegen Mordes angeklagten Täters. Einiges spricht für Planung

bremen taz ■ Der Bruder von Corinna M., jener Mutter von zwei kleinen Kindern, die im März im Maritim-Hotel vom Noch-Ehemann (41) erstochen worden war, wird heute vorm Landgericht aussagen. Er wird wohl vieles, was gestern der wegen Mordes Angeklagte als verzweifelte Gesprächsversuche eines unverstandenen Ehemannes darzustellen versuchte, in anderes Licht tauchen. Das wird wohl auch jener Zeuge tun, der sich vor der Tat mit dem Hinweis an die Bremer Polizei wandte, jemand habe ihn wegen Waffen und „Auftragskiller“ angesprochen. Der Hinweis versackte. Die Polizei räumte Fehler ein. Corinna M. starb am 7. März, vier Tage, nachdem das Verdener Amtsgericht ihrem Mann wegen Übergriffen und Bedrohung Kontaktverbot erteilt hatte, an über zehn Messerstichen in Rücken und Vorderleib.

Bis heute belastet die Erinnerung an diese Tat die ehemaligen KollegInnen sichtbar. „Frau M. war lebensfroh und stark. Sie vertraute auf den Schutz der öffentlichen Hand“, sagt der Chef der Direktionsassistentin. Sie habe „die Sache klein halten“ wollen. So wussten – wohl auch aus Schutzgründen – die KollegInnen nur das Nötigste: Dass die neue Telefonnummer geheim zu halten sei, ebenso die neue Adresse von Mutter und Kindern. Auch in Kita und Schule kam die Nachricht an, dass der Vater trotz geregelten Umgangs die Kinder nicht mitnehmen dürfe. Ein Glück. Der Grundschullehrer und die ErzieherInnen verwehrten dem Vater die Kinder, als er direkt nach der Tat erst bei der Schule, dann bei der Kita auftauchte. Der Sohn habe verstört auf ein Flüstern des Vaters reagiert, berichtet der Lehrer. Bis zur Tochter kam der Mann gar nicht. Die Polizei hatte schon gewarnt, Erzieherinnen stellten sich dem drängelnden Mann resolut und beschwichtigend zugleich in den Weg. Er floh dann vor der Polizei.

Aus Zeugenaussagen entstand gestern das Bild einer starken Frau, die in schwierigen Zeiten überlegt und vernünftig handelte. Es nutzte nichts. Als sie, wie jeden Morgen, Tee aus der Kantine holte, stand der Täter plötzlich hinter ihr und stach sie tot. „Woher der gekommen ist – die Frage macht mich bis heute fertig“, sagt ein Mitarbeiter. Ein anderer sagt: „Der Sanitätsraum ist der einzige Ort, wo man jemandem unbeobachtet auflauern könnte.“ Ein Blick durch die Jalousie an der Glastür des stets unverschlossenen Raumes genüge. „Das ist Spekulation“, wird er der Verteidigerin später einräumen – deren Mandant doch geschildert hatte, wie er in diesem Raum saß und „mit dem Messer hantierte“. Das Stuhlpolster war aufgeschlitzt. An den Tathergang könne er sich nicht erinnern, gab der Beschuldigte an.

Zu Verhandlungsbeginn berichtete er gestern eine Stunde lang unter Seufzern über eine lange Phase beruflicher Überforderung, Depression und Aufenthalten in psychiatrischen Akutstationen. Die Trennung habe ihm die Basis geraubt. Kurz nur erwähnt er auch Annäherungsversuche an seine Frau – die er bisweilen von hinten unangenehm überraschte oder festhielt. „Meine Frau hatte Angst entwickelt, die ich so nicht verstehen konnte“, sagte er. Die Kinder habe er geliebt. Sie leben heute getrennt bei anderen Familien. Das Messer kaufte der Mann am Tag des Kontaktverbots. ede