Katalonien

Am 1. Oktober will die Autonomieregierung ein Referendum über die Unabhängigkeit abhalten – auch gegen den Widerstand Madrids

„Wenn ich bestraft werde, muss ich das auf mich nehmen“

UNTERSTÜTZER Die Katalanen werden abstimmen gehen, sagt Dolors Sabater, Bürgermeisterin der Stadt Badalona, die als Erste das Referendum unterstützte

56, ist Pädagogin und Mitglied der Bürgerliste Guanyem Badalona (Gewinnen wir Badalona)

taz: Frau Sabater, die Staatsanwaltschaft lädt Sie und weitere 711 katalanische Bürgermeister vor. Was wirft sie Ihnen vor?

Dolors Sabater: Dass wir ein illegales Referendum unterstützen, ungehorsam gegenüber dem Verfassungsgericht sind, die Spaltung Spaniens wollen und öffentliche Gelder veruntreuen. Dabei haben ich nichts weiter getan, als der katalanischen Autonomieregierung mitzuteilen, dass sie über die üblichen Wahllokale verfügen kann.

Müssen Sie befürchten, Ihres Amtes enthoben zu werden?

Ich habe keine Angst. Ich komme aus der Bewegung derer, die sich weigerten, Kriegs- oder Ersatzdienst zu leisten. Klar wurden viele Totalverweigerer verurteilt, aber letztendlich wurde die Wehrpflicht abgeschafft. Das wurde möglich, weil wir viele waren. Das gilt jetzt auch wieder. Die Regierung überschreitet alle Grenzen des Rechtsstaates. Da ich mich nach wie vor der demokratischen Radikalität verbunden fühle, kann ich gar nicht anders, als das Referendum zu verteidigen – und damit das Recht aller, sich frei zu äußern. Wenn ich dafür bestraft werde, muss ich das auf mich nehmen.

Das ist Ihre Position als Bürgermeisterin – aber Sie sind auch verantwortlich für die Gemeindearbeiter und Beamten …

Die Regierung hat bereits angefangen, Druck auf Beamte auszuüben. Dabei geht es nicht nur um den 1. Oktober, sondern auch um Veranstaltungen in einem gemeindeeigenen Lokal im Vorfeld. Ein Antrag und die Bewilligung einer Räumlichkeit wird von jemandem bearbeitet. Und der setzt sich der Strafverfolgung aus. Um dies zu verhindern, haben wir in Badalona beschlossen, alle Bewilligungen von Mitgliedern der Stadtregierung unterzeichnen zu lassen. Wir übernehmen damit die volle Verantwortung.

Was passiert am 1. Oktober?

Eines steht fest: Eine überwältigende Mehrheit der Gemeindeverwaltungen steht hinter dem Unabhängigkeitsreferendum der Autonomieregierung. Wir wissen allerdings nicht, wie weit die Regierung in Madrid tatsächlich gehen wird. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass sie jetzt, nach dem 11. September – dem katalanischen Nationalfeiertag – auf uns Bürgermeister Druck ausüben. Sie gingen davon aus, dass dieses Jahr weniger Menschen auf die Straße gehen würden, dank der Angstkampagne. Und dann kamen mehr als eine Million. Diese friedliche, festliche Demonstration aller Altersgruppen und aller sozialen Schichten bringt die Regierung aus dem Konzept. Als Antwort machen sie noch mehr Angst. Nach all den Drohungen, die sie ausgestoßen haben, werden sie wohl kaum nachgeben. Die Regierung ist völlig unfähig, das Problem politisch anzugehen. Und das obwohl immer mehr Kritik an ihrem Vorgehen laut wird – auch international. Ich glaube, wir werden am 1. Oktober abstimmen. Wir werden nicht aufgeben.

Wird dieses Referendum endgültig sein, trotz aller Schwierigkeiten und dem damit verbundenen Fehlen von rechtlichen Garantien?

Ich glaube, das hängt von der Beteiligung ab. Je mehr Menschen abstimmen, umso verbindlicher ist das Ergebnis.

INTERVIEWReiner Wandler