Verbunden durch die Tücken des Wahlsystems

Gewinnt Ahmet Iyidirli (SPD) den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg direkt, dann hat auch Özcan Mutlu (Grüne) gute Chancen, den Sprung in den Bundestag zu schaffen. Der Einzug von Hakki Keskin (Linkspartei.PDS) gilt als relativ sicher

Zum ersten Mal kandidieren in Berlin gleich drei türkischstämmige Politiker für verschiedene Parteien. Sie haben durchaus Chancen, tatsächlich in den Bundestag gewählt zu werden. In der türkischen Community wird es als Glücksfall angesehen, dass sie sich dabei nicht in die Quere kommen. So sind die türkischstämmigen WählerInnen nicht gezwungen, einen der Kandidaten zu bevorzugen.

Doch allein deren Stimmen reichen sowieso nicht aus für den Einzug in den Bundestag: Deshalb sind Ahmet Iyidirli, Hakki Keskin und Özcan Mutlu auf die Unterstützung der deutschen WählerInnen angewiesen.

Iyidirli mehr als die anderen. Der eher zum linken Flügel zählende Sozialdemokrat hatte es in seiner Partei nicht einfach. Nur mit einem erheblichen Kraftakt bekam er die Unterstützung in seinem Kreis und wurde von der SPD als Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost aufgestellt. Auf der Landesliste rutschte er aber ab auf einen Listenplatz, mit dem ihm kaum Chancen zugerechnet werden. Er muss sich in seinem Wahlkreis gegen mächtige Gegner durchsetzen: Christian Ströbele, das Urgestein der Grünen, und Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer von der PDS heißt die Konkurrenz.

„Ich muss einen Straßenwahlkampf führen“, erklärt Iyidirli auf Nachfrage, „denn die Presse ignoriert mich.“ Er streitet ab, dass sein Aussehen ein Nachteil sei: „Mein Schnurrbart kommt auch bei den Deutschen gut an. Die meisten können sich unter einem Türken sowieso nichts anderes vorstellen.“

Böse Zungen behaupten, Özcan Mutlu würde in Kreuzberg Iyidirli unterstützen. Die Tücken des Wahlsystems sorgen dafür, dass Mutlus Chancen zunehmen, wenn Iyidirli seinen Wahlkreis gewinnt – oder besser: wenn Christian Ströbele ihn verliert. Denn das Mitglied des Abgeordnetenhauses hat einen Listenplatz inne, der ihn dann in den Bundestag bringen wird, sollten die Grünen nicht völlig absacken.

Der sicherste Kandidat ist Hakki Keskin, aufgestellt von der Linkspartei.PDS. Er bekam, obwohl Nichtmitglied, den sicheren vierten Listenplatz – wenn auch unter Protest einiger PDSler. In seinem eigenen Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg wird er dagegen wohl nicht einmal die meisten Stimmen der dortigen türkischstämmigen WählerInnen erhalten. Doch die Parteiführung um Lothar Bisky kann zufrieden sein. Denn Keskin wurde aufgestellt, um das Image der PDS als „Kurdenpartei“ loszuwerden.

Diese Rechnung scheint aufzugehen. Zumindest die Türkische Gemeinde Deutschlands, der Keskin vorsteht, hat öffentlich bekannt gegeben, dass die migrationspolitischen Ansichten der Linkspartei.PDS den Forderungen der Türken in Deutschland am nächsten seien.

Wer in Berlin seine Stimme einem Migranten geben will, hat noch eine weitere Möglichkeit: Er kann den unabhängigen ägyptischen Kandidaten Aly Abdelwahab wählen, der den ehemaligen Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) herausfordert. Voraussetzung: eine Anmeldung in Neukölln. Cem Sey