Ostexport 3: Die coole Königin Merkel


VON JAN FEDDERSEN

Wie hätten die Männer vom Andenpakt, diese Allianz von aufstrebenden Unionspolitikern, es auch gegen diese Frau aufnehmen sollen? Alles, was sie wussten, war: Die Altvordern müssen weg. Und dann sind wir dran. Das war 1979. Zehn Jahre später kam die Wende, und alles, was die Wulffs, Kochs, Oettingers und Wissmanns über die Machtlogik ihrer Partei wussten, hatte keinen Griff mehr. Denn da war eine, das etwas torfig anmutende Mädchen vom Chef, vom Kanzler. Eine Frau! Eine Pastorentochter! Ein Kohlschützling!

Die nahmen sie nicht ernst. Und jetzt sind sie alle im Vergleich zu Angela Merkel klein oder mittlerweile unwichtig geworden. Die Andenpaktler kannten nur Frauen, die klagten, meckerten oder raunten. Merkel aber operierte mit den biografisch erworbenen Fähigkeiten einer gelernten DDR-Bürgerin. Mimisch nie ganz im Leidenschaftlichen, ideologisch so, dass es kein echtes Anecken gab – und im Gesicht mit der Gabe gesegnet, auf hundert Weisen desinteressiert oder gelangweilt gucken zu können. Die Andenpaktler ahnten nicht, dass man diese Frau mit Flirten und Entwerten nicht kleinkriegt.

Merkel repräsentiert seit vier Jahren das Prinzip Pragmatismus als Macht- wie Inhaltstrategie – und hat darum niemals Frauenquoten nötig gehabt. Sie pokert von allen am besten, weil sie stets um die Trümpfe im Stock weiß und – darauf kommt es an – die Schwächen ihrer Rivalen am kühlsten kalkuliert. Sie ist die exzellenteste Politschachspielerin der Nachkriegszeit: sie rochiert, sie fegt vom Brett, aber ohne machohaftes Triumphieren. Sie ist eine coole Königin.

Sie wird uns noch lange begleiten. Sie wird diese Regierung durchziehen und dann Schwarz-Grün ins Leben rufen. Sie ist das Beste, was die Union hat Made in G.D.R. Ein Produkt von hüben und drüben, das sich wirklich am Markt halten kann. Und wie!

Jan Feddersen ist taz-Autor und Redakteur für besondere Aufgaben. 1957 in Hamburg geboren, lebt er heute in Westberlin