Vom Petersberg nach Kabul

Mit der Parlamentswahl am Sonntag endet der „Bonner Prozess“, der vor vier Jahren mit der Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg begann. Es folgte die Einsetzung von Präsident Hamid Karsai, später die verfassunggebende Loja Dschirga und 2004 die Wahl des Staatspräsidenten.

Bald könnten ein vom Volk direkt gewähltes Parlament und ein Regionalrat für alle 34 Provinzen die Geschicke des Landes bestimmen. Hinter dem drehbuchgemäßen Ablauf verbergen sich aber zahlreiche Kompromisse, die die Stabilisierung des Landes auch künftig gefährden könnten.

Nichts illustriert dies besser als die zahlreichen Kandidaten, die selbst Kriegsfürsten waren oder Verbindungen zu ihnen haben. Ihr Einfluss ist nach wie vor so stark, dass sie ihre Streichung durch die Wahlkommission verhindern konnten. Zudem gibt es viele Kandidaten, von denen man vermutet, dass sie bewaffneten Gruppen wie der Hisb-i-Islami von Gulbuddin Hekmatjar angehören. Karsai hat sich in den vergangenen Wochen für die Integration dieser verirrten Schafe in den Prozess der Demokratie stark geamcht. Kritiker argwöhnen, dass er so verzweifelt an seiner Macht festhält, dass ihm selbst die Unterstützung der Warlords recht ist.

Doch auch der Bonner Prozess selbst kann sich in der Zukunft als Belastung erweisen. Die von der Loja Dschirga beschlossene Regierungsstruktur erlaubt nämlich keine Parteien im Parlament. Dies birgt die Gefahr, dass sich die 249 unabhängigen Abgeordneten (davon per Quote mindestens 68 Frauen) wiederum nach den traditionellen stammespolitischen Mustern organisieren – mit manipulierbaren Mehrheiten und ohne wirklichen Einfluss auf die Politik. Auch hier sehen Kritiker Karsais Einfluss, der wohl fürchten musste, dass ihm eine parteipolitische Organisation des Parlaments gefährlich werden könnte. Erst am 10. Oktober soll das vorläufige Wahlergebnis feststehen, das endgültige am 22. Oktober.       BY