Wahl in Neuseeland: Jacinda Ardern, Superstar
Eine 37-jährige Labour-Abgeordnete macht kurz vor der Wahl in Neuseeland von sich reden. Sie könnte die jüngste Regierungschefin des Landes werden.
Die Sozialdemokratin verdankt einen Teil ihres Erfolgs einem Ultrakonservativen. Kurz nachdem sie im August Oppositionschef Andrew Little abgelöst hatte, stellte sie sich einem Radiointerview. Und wurde vom rechtspopulistischen Moderator mit der Frage der Entscheidung zwischen einer politischen Karriere und Kindern konfrontiert.
Ihre souveräne Antwort löste in sozialen Medien einen Sturm der Unterstützung aus. Sie habe sich als Politikerin freiwillig der Öffentlichkeit ausgesetzt, meinte sie, und sei bereit, zu antworten. Dann aber wetterte sie, es sei „völlig unannehmbar, dass Frauen 2017 am Arbeitsplatz auf eine solche Frage antworten sollen“. In Neuseeland ist es Arbeitgebern nicht gestattet, Bewerberinnen Fragen zur Familienplanung zu stellen.
Solche Vorfälle scheinen die Politikerin und ihre Partei nur zu stärken. Labour hatte bis vor Kurzem gegen die seit acht Jahren regierende konservative National Party keine Chance. Vergangene Woche lag die Partei in einer Umfrage bei 43, die Konservativen bei 41 Prozent. Während einige Beobachter dennoch von einem knappen Sieg der Konservativen ausgehen, denken andere, Labour könnte mithilfe kleinerer Parteien wie den Grünen eine Koalitionsregierung bilden.
Ein solches Szenario ist ein Alptraum für Arderns Gegner bei den Konservativen. Die politische Beraterin von Exregierungschefin Helen Clark „sei nicht fit“, das Amt zu übernehmen, so Kommentator Richard Prebble. Doch das Argument, sie sei zu jung und politisch unerfahren, verliert bei öffentlichen Auftritten an Kraft. In TV-Duellen stach sie Premier Bill English aus. Ardern ist nicht nur über aktuelle Themen informiert, sie nimmt auch gerne Stellung zu kontroversen Fragen. So sprach sie sich für die Nutzung von Cannabis zu medizinischen Zwecken aus.
Neuseeland steht wirtschaftlich gut da
Dass English um seinen Job fürchten muss, verblüfft Kommentatoren im konservativen Lager. Denn es geht Neuseeland wirtschaftlich so gut wie lange nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2016 um vier Prozent. Zeichen von Inflation gibt es kaum. Die Arbeitslosenrate ist unter fünf Prozent gefallen.
Trotz des Erdbebens, das 2011 weite Teile der Stadt Christchurch zerstört hatte, ist der Haushaltsplan der Regierung nach einem Loch von 14 Milliarden neuseeländischen Dollar wieder im schwarzen Bereich. Ein näherer Blick auf die Statistiken aber zeigt, dass der Graben zwischen Arm und Reich wächst. Misst man das Wachstum pro Kopf der Bevölkerung, kommt man auf ein Prozent.
Glaubt man der Jungpolitikerin, würde unter einer von Labour geführten Regierung auch die Umwelt stärker beachtet. Sie hat sich für stärkere Maßnahmen gegen den Klimawandel ausgesprochen. Neuseeland vermarktet sich seit Jahren erfolgreich als „100 Prozent pur“ – als natürliche Urlaubsinsel par excellence.
Dem ist aber nicht so, zeigen Untersuchungen. Die Expansion der Milchwirtschaft hat zu einer katastrophalen Verseuchung von Gewässern geführt. Heute leben 10 Millionen Rinder im Antipodenstaat, 6,5 Millionen für die Milchproduktion. Böse Zungen haben einen neuen Begriff gefunden. Die „saubere und grüne“ Inselnation sei ein „grünes Gülleloch“.
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