THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Das autobiografisch gefärbte Buch „Rückkehr nach Reims“ des französischen Soziologen Didier Eribon geht unter anderem der Frage nach, wie es kam, dass das einst traditionell der Kommunistischen Partei nahe Arbeitermilieu in Frankreich (dem er selbst entstammt und entkam) inzwischen fast geschlossen Front National wählt. In einer radikal persönlichen Analyse, die ihren Ausgangspunkt beim Tod des Vaters und seiner eigenen Rückkehr in die Heimatstadt Reims nimmt, entfaltet Eribon seine Thesen wie einen Entwicklungsroman: seine eigene Entwicklung vom Proletarierkind aus Reims zum Pariser Intellektuellen, stellt er der Entwicklung der in Reims und der Arbeiterklasse zurückgebliebenen Familie entgegen, der ihr Klassenbewusstsein langsam abhandenkam. In der Schaubühne hat Thomas Ostermeier in dem gefeierten Buch auch einen Theaterstoff entdeckt, den er passenderweise am Abend der Bundestagswahl mit Nina Hoss auf die Bühne bringt (Schaubühne: „Rückkehr nach Reims“, Premiere 24. 9., 20 Uhr).

Im Berliner Ensemble am Schiffbauer Damm startet die erste Spielzeit nach Peymann mit einem ­Premierenfeuerwerk. Es geht los (21. 9., 19. 30 Uhr) mit Albert Camus’ Diktatorendrama „Caligula“, das mit Constanze Becker in der Titelrolle Antú Romero Nunes inszeniert. Am 22. 9. zeigt die Regisseurin Mateja Koležnik ein Stück des norwegischen Dramatikers Arne Lygre, „Nichts von mir“, das von der Unzulänglichkeit der Sprache und der Liebe handelt, und zwar mit so herausragenden Akteurinnen wie Corinna Kirchhoff, Anne Ratte Polle und Judith ­Engel. (Berliner Ensemble: „Nichts von mir“, Premiere 22. 9., 20 Uhr).

Am 23. 9. hat Michael Thalheimers Inszenierung eines Klassikers von Bertolt Brecht Premiere, der ja noch immer der Hausgeist des von ihm 1949 gegründeten Berliner Ensembles ist: „Der kaukasische Kreidekreis“ ist eine Parabel über Recht und Gerechtigkeit, Besitz und Eigentum. An der Verhandlung von echter und falscher Mutterliebe wird die Frage diskutiert, in wessen Händen die Welt am besten aufgehoben ist. Die Rolle der Grusche spielt die tolle Stefanie Reinsperger.

Mit der Selfie-Flut, zur Schau gestellter Intimität und den davon geprägten Stereotypen vom Leben, der Liebe und den Körpern befasst sich im Ballhaus Ost der Abend des Performance-Duos bücking&kröger „Pornografie der Emotionen“, der auch den (voyeuristischen) Blick auf die Frage lenkt, was eigentlich unser ständiger Beschuss mit den Zuständen, Innenansichten und Gefühlen anderer eigentlich mit uns macht (Ballhaus Ost: „Pornografie der Emotionen“, 21.–23. 9., jeweils 20 Uhr).