Ausländer würden eher
SPD und Linke wählen

Symbolwahl Ein Drittel der Erwachsenen in Mitte darf mangels deutschem Pass nicht zur Wahl

Die Gelegenheit wollte er sich nicht entgehen lassen: Erstmals in seinem Leben hat der Syrer G. dieser Tage gewählt. „CDU!“, lacht der 59-Jährige, „dabei ist die CDU für die Reichen, und ich bin gar nicht reich!“ Daran liegt es auch, dass G., der seit 28 Jahren in Berlin lebt, kein Wahlrecht hat in Deutschland: Fast 20 Jahre lang hat er als Maler und Lackierer gearbeitet, dann hat die Gesundheit nicht mehr mitgemacht. Nun lebt er von Hartz IV – ein Grund, die deutsche Staatsbürgerschaft nicht zu bekommen.

Wie G. ergeht es allein im Bezirk Mitte etwa 105.000 Menschen – ein gutes Drittel der Erwachsenen dort. In ganz Berlin sind es knapp 600.000: Sie sind volljährig, dürfen aber nicht wählen, weil sie nicht Deutsche sind. Ein Grund für Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) und Sandra Obermeyer (parteilos, für die Linke), Stadträtin für Bürgerdienste und damit auch für Einbürgerungen, am bundesweiten Projekt einer Symbolwahl für Menschen ohne deutschen Pass teilzunehmen.

Vom Wahlergebnis her hat sich das für den Grünen von Dassel dabei eher nicht gelohnt. Mit 16 Prozent der Zweitstimmen kommt seine Partei nach dem am Mittwoch präsentierten Ergebnis der Symbolwahl nur auf Platz 4. Die meisten Stimmen bekam die SPD mit 26,8 Prozent, gefolgt von der Linken (23,06), die CDU landet mit 21,7 Prozent auf Platz 3.

Aber um das Ergebnis ging es bei der Symbolwahl auch gar nicht – und mit nur 373 TeilnehmerInnen sind deren Ergebnisse keineswegs repräsentativ. Einen Denkanstoß wollten die OrganistorInnen geben. Könne man wirklich einen so großen Teil der hier lebenden Menschen von politischer Partizipation ausschließen, fragt Stadträtin Obermeyer. Es müsse darüber nachgedacht werden, ob der Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft zu steinig sei. Und von Dassel fragt, „ob politische Partizipation wirklich so eng gefasst sein muss, wie sie im Moment gefasst ist?“. Denn „diese BerlinerInnen dürfen ja nicht einmal beim Volksentscheid Tegel mit abstimmen“.

Von Bundestagswahlen, anders als Europa- oder Kommunalwahlen, sind auch in Deutschland lebende EU-BürgerInnen ausgeschlossen. „Sehr schräg!“ findet das ein britischer Symbolwahlteilnehmer. Nach einigen im Ausland verbrachten Jahren darf er in seiner alten Heimat nicht mehr wählen – und in der neuen auch nicht: „Ich werde stimmlos!“

Die niedrige Wahlbeteiligung erklären die OrganisatorInnen unter anderem damit, dass die Adressaten der Symbolwahl politisch – nicht nur im Wahlkampf – nicht einbezogen würden: „Sie werden nicht angesprochen – deshalb war es schwer, sie für die Teilnahme zu gewinnen“, sagt etwa Jouanna Hassoun vom Verein Transaidency, wo auch gewählt werden konnte.

Dafür standen bis Montag mehrere Tage lang etwa 20 Vereine und Nachbarschaftstreffs im Bezirk offen. Die TeilnehmerInnen kamen laut den OrganisatorInnen aus über 50 Ländern von Finnland bis Südkorea – die Mehrheit aus der Türkei, der Europäischen Union oder arabischen Herkunftsländern. 42 Prozent lebten bereits über 20 Jahre in Deutschland, etwa 18 Prozent erst seit weniger als drei Jahren. Auch die Erhebung dieser Daten sei für manche ein Grund gewesen, nicht an der Symbolwahl teilzunehmen, berichtet einer der Organisatoren: „Sie hatten Angst, was damit passiert.“ Alke Wierth