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Vorschlag zur Güte

MEDIATION Richter als Vermittler: Vor dem Arbeitsgericht finden streitende Parteien meist einen Kompromiss ohne Urteil. Ein Besuch in Celle

Im Arbeitsrecht wirkt der Richter oftmals wie ein Mediator Foto: Michael Reichel/dpa

von Joachim Göres

Einem Kurierfahrer ist von einer Speditionsfirma aus Essel fristlos gekündigt worden. Dagegen klagt der Fahrer. Jetzt sitzt er im Arbeitsgericht Celle und blickt auf seinen Ex-Chef. Richter Peter Rieck hat die Konfliktparteien zu einem Gütetermin eingeladen – hier soll geklärt werden, ob man zu einer einvernehmlichen Lösung kommen kann. „Der Fahrer hat bei einem Kunden von uns Hofverbot bekommen. Er hat nicht ordentlich gearbeitet, ich konnte mit ihm nichts anfangen“, poltert der Chef. „Ich bin nicht hier, um Zugeständnisse zu machen.“ Ob die fristlose Kündigung berechtigt war, muss nun die Hauptverhandlung klären.

Im nächsten Fall einigen sich dagegen Kläger und Beklagter. Ein Hotel in Winsen/Aller hat einen Küchenmitarbeiter betriebsbedingt gekündigt – es gebe nicht mehr genügend Arbeit für eine Vollzeitstelle. Ob das stimmt oder nicht, spielt keine Rolle, denn der Geschäftsführer des Hotels geht auf die Forderungen ein: 91 Stunden aus dem Mai, die bislang nicht bezahlt wurden, werden vergütet, dazu kommt eine Abfindung in Höhe von 750 Euro, die ausstehenden Urlaubstage sowie ein wohlwollendes Zeugnis. Im Gegenzug wird die Kündigung wirksam.

„In rund der Hälfte der Fälle geht es bei uns um Kündigungsschutzklagen“, sagt Rieck, Direktor des Arbeitsgerichts Celle. Selbst wenn der Arbeitnehmer recht bekommt, ist er in der Regel seine Stelle los – das Verhältnis gilt als so zerrüttet, dass es nur noch um die Höhe einer Abfindung geht. Die richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, für ein Jahr gibt es meist ein halbes Monatsgehalt. Dabei stellt Rieck klar: „Es besteht nicht grundsätzlich ein Anspruch auf eine Abfindung.“

Rund 1.000 Klagen gehen pro Jahr beim Arbeitsgericht Celle ein. Außer um Kündigungen gibt es häufig Streit um die Höhe des gezahlten Lohns, um die Rechtmäßigkeit von Abmahnungen und um Versetzungen. Rieck: „Bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber einen triftigen Grund nachweisen. Wenn es um Fragen wie die Bezahlung von Überstunden oder die richtige Eingruppierung geht, liegt das Risiko eher auf der Seite des Arbeitnehmers, denn er muss seinen Anspruch nachweisen.“

Nur 2,5 Stunden liegen Unternehmen und Angestellter in einem weiteren Fall auseinander – einigen können sie sich trotzdem nicht. Ein Zerspanungstechniker möchte seine wöchentliche Arbeitszeit von 36,5 auf 34 Stunden reduzieren. Der Geschäftsführer eines Herstellers von Diamantwerkzeugen lehnt dies ab, da man für die kurze Zeit keinen Ersatz bekommen könne. Der Anwalt des Klägers sieht darin dagegen keine Probleme. Ob die betrieblichen Abläufe durch die Arbeitszeitverkürzung tatsächlich unzumutbar gestört würden, muss die Celler Firma jetzt nachweisen, bevor das Arbeitsgericht in einer Verhandlung darüber entscheidet. „In 90 Prozent aller Fälle kommt es bei uns zu keinem Urteil, denn die beiden Parteien einigen sich direkt beim Gütetermin oder danach“, sagt Rieck. Im Gegensatz zum Gütetermin hat er bei einer Hauptverhandlung zwei Schöffen neben sich – zwei LaienrichterInnen, die ihn überstimmen können.

Vor deutschen Arbeitsgerichten gibt es immer erst einen Gütetermin, bevor es zu einer Hauptverhandlung kommt. Das Ziel ist ein Kompromiss, mit dem alle leben können. „Der Richter wirkt bei dem Gütetermin wie ein Mediator, das ist ein sinnvolles Vorgehen“, sagt Thomas Klebe, Leiter des gewerkschaftsnahen Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht. „Niemand ist gezwungen, sich auf einen Kompromiss einzulassen.“

Angesichts der Bundestagswahl hat Klebe konkrete Forderungen: „Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats müssen ausgebaut werden, etwa bei Fragen des Datenschutzes. Und es muss ein Rückkehrrecht aus der Teilzeitarbeit in eine volle Stelle geben. Das hat die CDU/CSU in der großen Koalition verhindert.“ In der Vergangenheit wurden Arbeitnehmerrechte eher abgebaut. So gilt seit 2004 das Kündigungsschutzgesetz für Betriebe mit mindestens zehn statt wie bisher bei mehr als fünf Beschäftigten.

Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung klagten 2007 nur zwölf Prozent der Betroffenen gegen eine Kündigung – aktuellere Zahlen gibt es nicht. 16 Prozent der Gekündigten erhielten eine Abfindung. Groß waren die Chancen bei Vorliegen eines Sozialplans oder einer Klage gegen die Kündigung.