Die Lady spricht – ein bisschen

Myanmar I Zum ersten Mal wendet sich Aung San Suu Kyi in ihrer Heimat an die Öffentlichkeit, um über das Schicksal der Rohingya zu reden. Sie erntet mit ihrer Fernsehrede Kritik im Ausland, Beifall im Inland

30 Minuten geredet: Die Staatsrätin und Außenministerin Aung San Suu Kyi verlässt die Bühne Foto: Soe Zeya Tun/reuters

von Verena Hölzl

DHAKA taz | Über 400.000 Menschen sind in den vergangenen drei Wochen vor den Militärs aus Myanmar geflohen. Nun hat Suu Kyi sich endlich geäußert zu dem Konflikt, der die Demokratisierung der ehemaligen Militärdiktatur auf eine harte Probe stellt.

Myanmar habe mit vielen Problemen zu kämpfen – und ihre Regierung sei noch nicht einmal 18 Monate im Amt, sagte sie am Dienstagmorgen vor Diplomaten, Journalisten und Vertretern der Vereinten Nationen in der Hauptstadt Naypyitaw.Die Rede war lange erwartet worden. Nachdem am 25. August militante Aufständische der Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) in Birmas Teilstaat Rakhine fast 30 Polizeiposten angegriffen haben, reagierte das Militär prompt und aggressiv: Fast die Hälfte von Birmas Bevölkerung der muslimischen Rohingya hat das Land seitdem verlassen. Sie berichten von Brandstiftung, Erschießungen und Attacken durch Soldaten.

Die birmesische Regierung goss mit einer aggressiven Rhetorik gegen die „extremistischen Terroristen“ weiter Öl ins Feuer. Entwicklungshelfer wurden bezichtigt, an den Aktionen der sogenannten Terroristen beteiligt gewesen zu sein.

Auf aggressive Worte verzichtete die Friedensnobelpreisträgerin am Dienstagmorgen: Sie versprach stattdessen, dass alle Menschenrechtsverletzungen strikt verfolgt werden würden. Dabei schreckte sie davor zurück, das Militär direkt anzusprechen.

Deutlicher äußerte sich Human Rights Watch. Mithilfe von Satellitenbildern hat die Menschenrechtsorganisation nachgewiesen, dass über 200 muslimische Dörfer in Rakhine angezündet wurden.

„Es mag sein, dass Aung San Suu Kyi keine Macht oder Autorität hat, sich in die Angelegenheiten des birmesischen Militärs einzumischen. Aber sie kann Stellung beziehen und sicherstellen, dass die Untersuchungskommission der UN nach Birma gelassen wird“, sagte Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor der Organisation.

Suu Kyi hatte die UN-Untersuchungskommission bislang als nicht hilfreich abgelehnt und sagte, dass die Sicherheitsoperation seit 5. September beendet sei. Die taz hat zuletzt am 18. September von Bangladeschs Seite der Grenze aus Rauchsäulen aufsteigen sehen.

Dabei schreckte Aung San Suu Kyi davor zurück, das Militär direkt anzusprechen

Aung San Suu Kyis 30-minütige Ansprache, die sie auf Englisch hielt, wurde im birmesischen Fernsehen ausgestrahlt und außerdem auf einer Großleinwand am Rathaus der früheren Hauptstadt Rangun übertragen. Dort versammelten sich Tausende Anhänger der Politikerin, die viele „Mutter Suu Kyi“ nennen. Sie hielten Plakate mit dem Slogan „Wir stehen hinter Aung San Suu Kyi“ in die Höhe.

Die wohl meisten Birmesen stehen in der Krise geschlossen hinter der Politikerin, die bis November 2010 fast zwanzig Jahre in Hausarrest und Haft gesessen hatte. Alles erscheint ihnen besser, als die gerade erst gewonnene Demokratie wieder aufzugeben. Erst recht, wenn es um die Rohingya geht, die für einen Großteil der Birmesen illegale Einwanderer aus Bangladesch sind.

Die Rohingya sind staatenlos. Aufeinanderfolgende Militärregime haben ihnen nach und nach die Staatsbürgerschaft aberkannt. Suu Kyi versprach, diejenigen von ihnen wieder in Birma anzusiedeln, die nachweisen könnten, dass sie Staatsbürger waren. Spätestens nach der weitreichenden Brandstiftung dürfte das nun nicht mehr möglich sein.

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