Das Ding, das kommt
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Luther hätte es gefallen: Der Plattenspieler wird am heutigen Samstag bei der „Nacht der Kirchen“ in Hamburg zur Kanzel Foto: Adamantios/Wikimedia

Predigt mit Platten

Noch vor Jahrzehnten hieß es bei den frommen Protestanten: „Ein Bein, das sich zum Tanzen hebt, das wird im Himmel abgesägt.“ Doch so weltfremd will man in der liberalen evangelischen Landeskirche nicht mehr sein. Da wird das Abendmahl schon mal live als Suppe auf dem Altar gekocht oder der DJ Pasteur schmeißt, wie am heutigen Samstagabend in Hamburg, Platten auf die „Preaching Turntables“.

Beats von einem Pastor in einem alten Kirchengemäuer, die auch noch predigen? An einem Ort, der sonst sonntags von grauen Häuptern bevölkert ist und vor Tradition im Gottesdienstablauf erstarrt? Dort soll eine Orgel ein DJ-Set untermalen? Dort wollen Licht- und Videokünstler eine „Messe der Gegenwart ohne gesprochenes Wort“ feiern? Und das soll dann auch noch etwas sein, was „unsere Gegenwart ausmacht und braucht“, wie es in der Programmankündigung heißt?

Ernsthaft? Ja, ernsthaft. Schon Luther liebte vor 500 Jahren nichts mehr als feiern, musizieren und tanzen. Die „Nacht der Kirchen“ experimentiert zum Jubiläum also ganz im Geiste des Reformators. Man müsse „dem Volk aufs Maul schauen“, soll der ja mal gesagt haben.

Ob „die Gegenwart“ fette Beats in einer alten Kirche wirklich „braucht“, das darf man wohl bezweifeln. Aber andererseits, ob spirituell offen oder nicht: experimentelle Kunst und gute Musik in alternativem Kirchen-Ambiente mal ausprobieren – warum eigentlich nicht?Daniel Trommer

„Sacra Elektria“ zur Nacht der Kirchen: Sa, 16. 9., 21.30 Uhr, St. Johannis Harvestehude, Hamburg. Infos: elektria.org