Miese Arbeitszeiten, miese Bezahlung: Ausbildungsplätze in der Gastronomie sind wenig begehrt Foto: Patrick Seeger/dpa

Beide Seiten sind gefragt

AUSBILDUNG Auch in diesem Jahr werden nicht alle freien Ausbildungsstellen besetzt. Arbeitsagenturen raten Ausbildungssuchenden zu einem „Plan B“, kritisieren aber auch falsche Vorstellungen und mangelnde Transparenz von Seiten der Betriebe

von Sebastian Krüger

Für viele SchulabgängerInnen beginnt gerade das neue Ausbildungsjahr. Aber: Ausbildungsberufe haben mit Problemen zu kämpfen: „Die Anzahl der Bewerber schrumpft nach und nach“, sagt Sonja Kazma, Sprecherin der Agentur für Arbeit Niedersachsen-Bremen. Unternehmen gäben immer häufiger an, keine Stellen besetzen zu können. „Diese Tendenz gibt es bereits seit ein paar Jahren“, sagt sie, „und sie wird auch noch so weitergehen.“

Dieses Jahr gab es in Niedersachsen 57.545 BewerberInnen, von denen sich Ende Juli noch 16.598 weiterhin auf der Suche befanden. Von den 53.187 Lehrstellen waren zu dem Zeitpunkt noch 17.894 unbesetzt. In Bremen waren von 4.534 BewerberInnen noch 1.658 auf der Suche. 1.010 Lehrstellen von 4.427 waren Ende Juli noch offen. In Hamburg waren Ende Juli von 10.942 gemeldeten Ausbildungsstellen noch 3.855 unbesetzt. Von 9.304 Suchenden hatten 3.756 noch keinen Platz gefunden.

Die nächsten aktuellen Zahlen seien jetzt, Anfang September zu erwarten, so Kazma. In diesem Zeitraum passiere allerdings in der Regel noch am meisten: „Die unbesetzten Lehrstellen dürften sich bis dahin noch kräftig zurechtgeschrumpft haben.“ Rein rechnerisch seien die Probleme jedoch nicht zu lösen. Die knapp 17.000 BewerberInnen ohne Ausbildungsplatz in Niedersachsen etwa würden die 18.000 unbesetzten Ausbildungsplätze nicht einfach so ausfüllen können. „Nicht jeder Bewerber würde jeden Job übernehmen, viele haben ganz bestimmte Vorstellungen und Interessen“, sagt sie.

Kazma empfiehlt Jugendlichen auf Berufssuche, zweigleisig zu fahren und sich einen „Plan B“ zu überlegen. „Viele Ausbildungen haben verwandte Berufe“, sagt sie. ArbeitgeberInnen auf der anderen Seite sollten sich von unrealistischen Wunschvorstellungen verabschieden. „Den optimalen Bewerber gibt es nicht“, sagt sie, und: „Gebt auch den Schwächeren eine Chance.“ Die Agentur für Arbeit helfe da, wo es nicht ganz passe, auf beiden Seiten.

Männliche Bewerber würden sich laut Kaszma vor allem für kaufmännische und technische Berufe interessieren. Unter den beliebtesten seien KFZ-Mechatroniker, Kaufmann im Einzelhandel oder in der Industrie sowie technische Arbeitsfelder. „Bei jungen Frauen sind Berufe im Büro, im Verkauf oder im medizinischen Bereich am beliebtesten“, so Kazma. Platz eins belege die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement, gefolgt von der zur medizinischen Fach­angestellten. Auch Zahn- und Tiermedizin seien beliebte Felder. „In vielen Köpfen gibt es immer noch Vorurteile“, erklärt sie diese Unterschiede. Dies betreffe jedoch nicht nur ArbeitgeberInnen, sondern auch Jugendliche. „Das sieht man ja auch an den jeweils häufigsten Berufswünschen“, so Kazma.

Eine gemeinsame Tendenz aller BewerberInnen kann sie jedoch feststellen: „Junge Leute schrecken immer mehr vor Berufen zurück, die körperlich anstrengend sind oder schmutzig sein können“, sagt sie. Auch Arbeiten mit geringem Verdienst oder ungünstigen Arbeitszeiten würden seltener in Betracht gezogen. Zu den unbeliebtesten Arbeitsfeldern zählt sie Hoch- und Tiefbau, Hotelgewerbe, Gastronomie sowie Lebensmittelgewerbe wie etwa Bäckerei, Fleischerei oder Konditorei. Als einen weiteren Faktor sieht Kazma die „Coolness“ des Berufs: „Ist das eine anerkannte Arbeit? Wie sehen andere das? Auch solche Fragen bewegen junge Menschen.“

„Die Arbeitgeber müssen etwas an ihren Ausbildungen verbessern, anstatt sich nur darüber zu beschweren, dass sie nicht genügend Bewerber finden“, fordert Nathalie Sander von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Insbesondere bei den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung müssten Betriebe noch nachbessern, um die Berufe attraktiver zu gestalten.

„Die Arbeitgeber müssen etwas an ihren Ausbildungen verbessern, anstatt sich nur darüber zu beschweren, dass sie nicht genügend Bewerber finden“

Nathalie Sander, Arbeitnehmerkammer Bremen

„Die Betriebe müssen schon sehr früh an die Bewerber herantreten“, findet Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit Hamburg. Die Kooperation sei besonders sinnvoll: „Schulpraktika ermöglichen, sich in Schulen präsentieren – auch in Zusammenarbeit mit unserer Berufsberatung.“ Zwar hätten Betriebe in dieser Hinsicht schon vieles verbessert, müssten aber besonders im Hinblick auf Transparenz noch mehr leisten. „Die Ausbildungsinhalte müssen für Interessenten klarer sein,“ fordert er.

„Gastronomische Berufe sind aktuell nicht sehr beliebt“, so Böhrnsen. Dabei seien größere Ketten oder Hotels durch den internationalen Charakter des Geschäfts sehr attraktiv für Azubis, die gern im Ausland arbeiten würden. „Auch während der Ausbildung gibt es häufig die Möglichkeit dazu, auch außerhalb Europas“, sagt er. Groß- und Einzelhandel seien ebenfalls Felder mit vielen internationalen Verflechtungen. „Solche Erfahrungen sind auch sinnvoll, wenn man später eine Führungsposition übernehmen möchte“, sagt er.

„Bewerber müssen viel Eigeninitiative zeigen und flexibel sein“, so Böhrnsen. Dann hätten sie beste Chancen. „Die Wirtschaft hat einen Bedarf an Fachkräften“, sagt er. „Das heißt, dass Betriebe ausbilden müssen.“ Auch Böhrnsen rät BewerberInnen, sich während der Ausbildungssuche nach Alternativen zum Traumberuf umzuschauen. „Besonders kaufmännische Berufe gibt es ohne Ende“, sagt er. Ob Einzelhandel, Schifffahrt oder Industrie: Diese Berufe könnten Alternativen darstellen, falls es mit dem ursprünglichen Plan nicht klappt.