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: Bestechung, Blut und Intrige

„Raees“ (Indien 2017, Regie: Rahul Dholakia)

In den siebziger Jahren wurde Amitabh Bachchan mit einer Serie von Filmen als „angry young man“ zum größten Superstar seiner Zeit im kommerziellen indischen Kino, durchaus blutigen Filmen wie „Zanjeer“ oder „Don“, in dem er in einer Doppelrolle als Verbrecherkönig und Antiheld und als dessen unschuldiger Doppelgänger Vijay reüssierte. (Vijay hieß er über mehrere keineswegs identische Rollen hinweg.) Heute ist am ehesten Shah Rukh Khan (SRK) das Äquivalent zu Bachchan, allerdings mit einem viel braveren Image. So hatte Khan nach ersten Rollen als Schurke sein Stardom in erster Linie einer Unzahl romantischer und identifikationswürdiger Figuren zu verdanken.

Allerdings war er auch zweimal schon Don, in einem Remake des Originals, dann sogar einem Sequel, das in seinen Actionszenen unter anderem Berlin auseinandernahm. „Raees“, der jüngste Film, in dem SRK die Hauptrolle spielt, versteht sich nun sichtlich als weiterer Eintrag in dieser Reihe und als Update der Angry-Young-Men-Klassiker der Siebziger. Es macht auch keiner ein Geheimnis daraus, Subtilität war noch nie ein Bollywood-Ding: Die im Plot leider nur sehr notdürftig als Gattin des Heldin abgestellte weibliche Hauptfigur Aasiya (Mahira Khan, keine Verwandtschaft) tanzt zu einem berühmten Film-Song der siebziger Jahre. Und später ist in einer Szene im Autokino der junge Amitabh höchstpersönlich in Überlebensgröße auf der Leinwand zu sehen.

Ein bisschen merkwürdig ist das schon, dass Khan mit seinen 52 Jahren jetzt noch mal das Angry-Young-Man-Erbe übernimmt – aber natürlich eine leichte Übung für jemanden, der in „Main Hoon Na“ mit vierzig noch, ohne mit der Wimper zu zucken, einen College-Studenten gespielt hat. Die Regeln für die suspension of disbelief waren und sind in diesem Kino immer schon andere als im realismusgebundeneren Mainstream des Westens. Und einen wie Tom Cruise steckt Khan mit wilden Actionstunts auf Straßen und Dächern zum leicht verfremdet angeeigneten „Mission-Impossible“-Theme auf der Tonspur locker in die Tasche.

Sehr nachdrücklich wird der Plot im muslimischen Milieu verankert, Toleranzgebot inklusive

Die Geschichte geht so: Raees, der Titelheld, wird in den achtziger Jahren zum Gangsterbaron als Alkoholschmuggler im Bundesstaat Gujarat, in dem strenges Alkoholverbot herrscht. Erzählt wird eine klassische Aufstiegsgeschichte: Mit viel Risiko, Chuzpe und Glück übernimmt Raees gegen seinen alten Chef das Kommando, seinen Jugendfreund Sadiq hat er dabei stets an der Seite. Oft genug geht das nicht ohne Gewalt und Blut ab. Raees wird mehrfach zum Mörder, wenn auch nur aus der mafiösen Logik der Durchsetzung der eigenen Geschäfte heraus. Dennoch: Shah Rukh Khan, über und über mit dem Blut seines von ihm gerade zur Strecke gebrachten Feindes bespritzt – das ist ein eindrückliches Bild.

Regisseur Rahul Dholakia sorgt dafür, dass von Anfang an die Post abgeht. Rasant ist das geschnitten, die Stunts sind kompetent, die Musik gibt Süßes und Saures, sogar für eine laszive Musiknummer, wie sie in den Siebzigern die Schauspielerin Helen ablieferte, ist zwischen Bestechung, Blut und Intrige noch Platz. Sehr nachdrücklich wird der ganze Plot im muslimischen Milieu verankert, ein von Raees ausgesprochenes Toleranzgebot inklusive. Weil zwischendurch ein Auftrittsverbot für pakistanische Schauspieler galt, war der Einsatz des pakistanischen Stars Mahira Khan – sie spielt ihre erste Rolle in einem indischen Film – heftig umstritten. Die hindunationalistisch-rechtsradikale Shiv-Sena-Partei hat gegen den ganzen zu islamfreundlichen Film protestiert. Er war dennoch ein Erfolg und am Ende gab Amitabh Bachchan dem Film wie Shah Rukh Khan mit begeisterten Tweets seinen Segen. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.