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Student und Dozent zugleich

Lebenslanges Lernen Die „Universität der 3. Generation“ der Arbeiterwohlfahrt Bremen bietet RentnerInnen überwiegend kostenlose Bildungsveranstaltungen. Die SeniorInnen können dort ihr Wissen auch weitergeben

Auch ArbeitnehmerInnen, SchülerInnen und Studierende sind an der „Uni der 3. Generation“ in Bremen willkommen Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

von Jördis Früchtenicht

Ob eine Führung entlang des Bremer Fabrikenufers, wo im Hafen noch Waren umgeschlagen werden, Computerkurse, Vorträge zu klassischer Musik oder – pünktlich zur Bundestagswahl – zu politischer Kommunikation und Wahlkampf im Internet: 36 Veranstaltungen bietet in diesem Herbstsemester die „Universität der 3. Generation“ (U3G) von Anfang September bis Ende November an. Das seit 2010 bestehende Projekt der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bremen richtet sich an Menschen in der nachberuflichen Lebensphase.

„Das Angebot funktioniert in zwei Richtungen. Man kann nicht nur als TeilnehmerIn Wissen konsumieren, sondern auch als DozentIn Wissen vermitteln“, erklärt der Projektleiter Bruno Steinmann. Die „Uni“ soll auch weniger finanzkräftigen Personen zugänglich sein, die meisten Vorträge sind kostenlos und die DozentInnen arbeiten ehrenamtlich. Sie referieren, sagt Steinbach, „über Themen, mit denen sie beruflich zu tun haben oder hatten. Andere halten Vorträge über Dinge, die sie privat interessieren. Ein Ingenieur kann auch über eine Kunstrichtung sprechen, die ihn begeistert.“

Themen aus Kultur, Politik, Technik oder Wissenschaft werden in den Vorträgen, Kursen und Exkursionen ebenso abgedeckt wie lokale Einblicke. „Die Führungen sind gut besucht, da sie oft an Orten stattfinden, an die man sonst nicht hinkommt – etwa das Mercedes-Werk“, sagt Steinmann. Im Schnitt nehmen an ihnen 30 bis 40 Menschen teil, an den Vorträgen bis zu 20. Zwei Mal im Jahr erscheint ein neues Programm – eines für das Sommersemester, ein weiteres für das Herbstsemester.

„Die meisten Veranstaltungen finden vormittags statt. Da gibt es dann naturgemäß keine Generationendurchmischung“, sagt Steinmann. „Nachmittags sind aber schon mal SchülerInnen, Studierende oder ArbeitnehmerInnen da“ – und willkommen.

Anders als etwa beim Seniorenstudium an einer Universität oder bei Kursen an Volkshochschulen verpflichten sich die Teilnehmenden bei der „Uni der 3. Generation“ nicht dazu, das ganze Semester anwesend zu sein. „Die Themen ähneln zwar denen des Seniorenstudiums an der Universität, unser Angebot ist allerdings niedrigschwelliger. Die Inhalte werden meist nur an einem Termin behandelt. In Ausnahmefällen werden mal zwei, drei Termine für ein Thema benötigt“, sagt Steinmann.

So etwa bei einer Veranstaltung zu Brahms’Violinkonzert. Dozent Ralf Winkelmann will sich dem Stück mit den TeilnehmerInnen über Hörbeispiele nähern. „Keiner muss Noten lesen können“, sagt der professionelle Musiker. Er hat bereits mehrfach Vorträge im Rahmen der U3G gehalten. „Ich nehme immer ein Musikstück in den Fokus, möglichst eines, dass dann gerade von den Bremer Philharmonikern gespielt wird.“

So könne die Gruppe gemeinsam das Konzert besuchen – was auch in diesem Semester geplant sei. Ihn motiviert insbesondere, mit interessierten Menschen zu arbeiten. „Das macht Spaß. Es ist jedes Mal eine nette Gruppe. Einige Teilnehmende kommen immer wieder.“ Zudem lerne er auch selbst immer etwa Neues, wenn er sich im Vorfeld mit den Stücken beschäftige.

Auch Peter Paulitsch, der bei der U3G sowohl als Dozent als auch als Teilnehmer dabei ist, bereitet sich intensiv vor. In diesem Semester hält der Dirigent und Komponist einen Vortrag zu Umweltproblemen – ein Thema, dass ihm am Herzen liegt. „Ich will natürlich nichts Inkorrektes erzählen und informiere mich umfassend über das Thema. Ich habe etwa mit dem BUND und dem Wasserwerk Verden Telefonate zum Fracking in Verden geführt.“

Wenn Paulitsch an Veranstaltungen teilnimmt, dann aus den Bereichen Politik, Physik und Musik. „Meine Top-Kategorie ist jedoch die Bremer Geschichte.“ Die beliebteste Kategorie sei „Bremen erleben“, weiß auch Steinmann: „Da sind die Anmeldelisten innerhalb weniger Tage voll. Wer keinen Platz mehr bekommt, kann sich auf die Warteliste setzen lassen. Wenn ein Termin ausgebucht ist, suchen wir nach Alternativterminen im laufenden oder im kommenden Semester.“

„Ich bin begeistert davon, Bremen von innen kennenzulernen“

Renate Matthäus, Studierende an der U3G

Die „Uni“ wird vom Bremer Kreisverband der AWO, dem Verein Aktive Menschen Bremen (Ameb) und der Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe finanziert. In den ersten drei Jahren erhielt das Projekt noch eine Förderung der ARD-Fernsehlotterie. Es gibt zudem zahlreiche KooperationspartnerInnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur wie die Bremer Kunsthalle, die Stadtbib­liothek Bremen, die Bremer Volkshochschule oder die Umwelt-Lernwerkstatt (ULE). Sie bietet in diesem Semester etwa einen Kurs zur eigenen Herstellung von Apfelsaft an.

Die Veranstaltungen verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet, viele finden in den Begegnungsstätten des Ameb statt. „Die Dezentralität ist besonders für diejenigen von Vorteil, die nicht mehr so mobil sind“, sagt Steinmann.

Über Mund-zu-Mund-Propaganda wird das Projekt immer bekannter. Kamen zu Beginn der „Uni“ noch etwa 300 Teilnehmende im Semester, sind es inzwischen, zumindest laut Teilnehmerlisten, über 1.000. Auch Renate Matthäus wirbt in ihrem Freundeskreis für das Angebot. Die Pädagogin, die früher einen Buchladen geführt hat, war erst Dozentin und ist dann zusätzlich Teilnehmerin geworden.

Während sie sich in ihren Vorträgen damit beschäftigt, wie Geschichte mithilfe von Literatur aufgearbeitet wird, besucht auch sie besonders gern Veranstaltungen zu lokalen Themen, „Ich bin begeistert davon, Bremen von innen kennenzulernen. Das Planetarium, die Silberschmiede, die Mühle in Walle – das sind Orte, in die man sonst nicht unbedingt hineinkommt.“

Infos zur „Uni der 3. Generation“: www.awo-bremen.de

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