American Pie
: Zukunft mit Moppelchen

Die Minnesota Twins hatte in der MLB niemand auf der Rechnung; jetzt ist die Mannschaft um Aushängeschild Miguel Sano doch tatsächlich Playoff-Kandidat. Der Star allerdings laboriert an Gewichtsproblemen.

Der Dünnste war Miguel Sano noch nie. Man könnte auch sagen, er ist kräftig gebaut. Dafür kann aber auch aber ganz besonders kräftig auf einen Baseball eindreschen. So kräftig, dass der Ball sehr lange fliegt und sehr oft erst wieder zwischen den Zuschauern landet. 28 Homeruns hat Sano schon geschlagen in diesem Jahr, und weil das ziemlich viele Home­runs sind, ist der aus der Dominikanischen Republik stammende Profi das Aushängeschild der erstaunlichen Verwandlung der Minnesota Twins vom Kellerkind der Major League Baseball (MLB) zum Playoff-Kandidaten.

Nun aber hat man in Min­neapolis, wo die Twins beheimatet sind, Sorge, dass das neue Gesicht des Klubs ein allzu moppeliges werden könnte. Stolze 118 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,93 Meter wiegt der 24-jährige Sano, wenn man dem schicken Medienhandbuch glaubt, das die Twins vor der ­Saison verteilt haben. Diesen Glauben wollen aber immer weniger teilen. Nun meldete die Star Tribune, die größte Tageszeitung in Minnesota, dass Sano ein Gewichtsproblem hat. Mindestens zehn Kilo schwerer als angegeben soll er sein. Und dass man sich im Management der Twins sorgt um den Jungstar und über sein Übergewicht, das womöglich dazu beitrage, dass Sano immer wieder verletzt ist. Auch im Moment laboriert er an einem entzündeten Schienbein.

In die Bresche springen dafür andere. Zum Beispiel Max Kepler, der einzige deutsche Profi in der MLB. Am Freitag gelang dem 24-Jährigen ein Homerun, dank dem die Twins den Sieg einfuhren. Am Samstag zwirbelte der Berliner, der schon mit 16 Jahren in die USA gegangen war, einen Ball ins rechte Außenfeld, um zwei Punkte nach Hause zu bringen, und am Sonntag donnerte er einen Ball gegen die Wand im linken Außenfeld, auch das brachte den Twins zwei Punkte ein. Am Montag, als die Twins einen sogenannten Doubleheader absolvierten, also gleich zwei Mal an einem Tag bei den Chicago White Sox antreten mussten, lief es allerdings nicht so gut für den Deutschen: Im ersten Spiel, das die Twins knapp 6:7 verloren, blieb er ohne Hit, im zweiten, das Minnesota 10:2 gewann, musste er auf der Bank bleiben.

Der Tag war symptomatisch für das Auf und Ab, das Kepler und die Twins in dieser Saison bislang erlebt haben: Vor der Saison hatte kein Experte die Mannschaft aus dem hohen Norden auf der Rechnung. Trotzdem spielten die Twins zu Beginn der Saison überraschend weit vorne mit, nur um im Juli dermaßen im Mittelmaß zu versinken, dass der Klub mit Brandon Kintzler auch noch einen seiner besten Pitcher nach Washington verscherbelte. Im Gegenzug gab es ein wenig Bargeld und ein hoffnungsvolles Nachwuchstalent. Ein typischer Schachzug für einen Klub, der im Hochsommer nicht mehr so recht daran glaubt, im Herbst noch um die Meisterschaft mitspielen zu können. Aber so kann man sich täuschen: Dann kam der August, die Twins hatten immer noch mit verletzten Spielern zu kämpfen, aber gewannen plötzlich ein Spiel nach dem anderen und haben nun doch tatsächlich wieder gute Chancen, dabei zu sein, wenn Anfang Oktober die K.-o.-Runde um den Titel beginnt.

In der, seien wir ehrlich, hätten die Twins eigentlich nichts verloren. Ihre Stärke gründet vor allem auf der Schwäche der Konkurrenz. Denn eigentlich sind die Minnesota Twins ein Team im Umbruch: Dieselben Experten, die ihnen vor dieser Saison nichts zugetraut haben, prophezeien dem neuen Kern der Mannschaft, der aus dem eigenen Nachwuchs stammt, nun eine möglicherweise große Zukunft. Dazu müssen die Leistungen der jungen Spieler wie Kepler oder Byron Buxton aber erst noch stabiler werden. Nur Einzelne – wie Miguel Sano – sollten künftig darauf achten, etwas weniger stabil zu sein.

Thomas Winkler