Berliner Szenen
: Das verpasste Konzert

Bombe

Der DJ weiß genau, wie scheißegeil dieser Sound ist

In einem Klub im immer noch etwas düsteren Ostberlin, nachdem man von Westen kommend mit dem cremeweißen Mercedes aus Wuppertal durchs Brandenburger Tor gefahren war, weil man fast als Taxe durchging, und am Kiosk an der Greifswalder Straße eine Polonäse beim Raus- und wieder Reinmarschieren aus einer Ostkaschemme beobachtet hatte, in diesem Klub jedenfalls, einem schwer angesagten Jugendklub im Osten, drehte man einen Philly Blunt, einen Joint in einer Zigarrenhülle, weil das gerade so angesagt war. Es gab Musik auf drei Ebenen: ein Irgendwas-mit-Indie-Floor. Eine Mainstream-Tanzfläche. Und im Keller: HipHop.

Es ist der Spätsommer 1993, und in just diesem Keller höre ich erstmals Stücke von dieser Band mit den wahnsinnig deepen Beats und irren Pfeifsounds. „Black Sunday“ von Cypress Hill ist die Platte der Stunde. Der DJ im Knaack weiß genau, wie scheißegeil dieser Sound ist. Eine unvergessliche Nacht.

Jetzt, 24 Jahre danach, reisten B-Real, Sen Dog, DJ Muggs und Eric Bobo nach Spandau, um die Meute zu rocken. Cypress Hill erklommen pünktlich um 21 Uhr die Bühne. Es soll bombastisch gewesen sein. Ich bekam leider nichts mit, weil der Fund einer Weltkriegsbombe in Haselhorst den gesamten Verkehr im weiteren Umkreis der Zitadelle lahmlegte und ich zu besagter Uhrzeit am Rohrdamm strandete, weil wiederum die BVG in ihrer Informationspolitik zu wünschen übrig ließ. Keine Bahn, kein Bus, kein Schienenersatzverkehr.

Während der Entschärfung landeten nicht einmal Flugzeuge in Tegel. Die Weltkriegsbombe wurde auf einem Firmengelände in Haselhorst entdeckt. Gegen 23 Uhr meldete die Polizei, dass die Bombe entschärft sei. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt, kurz nach meinem Eintreffen, war das Konzert zu Ende. René Hamann